Ein alter Hut kann was Gutes sein, das wissen nicht nur die Fans von Harry Potter (Stichwort sprechender Hut). Aktuell bringt die CSU – nicht als erste – die Wiedereinführung der Spekulationsfrist bei Aktien ins Gespräch. Ein sinnvoller Vorschlag, der längst überfällig ist.
Wir erinnern uns: Bis zum Start der Abgeltungsteuer Anfang 2009 gab es in Deutschland bei Wertpapiergeschäften mit Aktien, Anleihen, Fonds und Co. eine einjährige Spekulationsfrist. War zwischen Kauf und Verkauf der Anteile mindestens ein Jahr vergangen, blieben Gewinne daraus steuerfrei, aber Verluste waren auch reine Privatsache. Wichtig: Bei Finanztermingeschäften galt die Spekulationsfrist übrigens schon damals nicht, etwaige Gewinne waren stets steuerpflichtig.
Mit Start der Abgeltungsteuer wurde die so genannte Spekufrist auf Wertpapiere abgeschafft; Gewinne auf seit 2009 gekaufte Papiere sind seither unabhängig von der Haltedauer steuerpflichtig, Verluste damit können aber auch stets gegengerechnet werden.
Eine Spekulationsfrist wäre ein sinnvoller Anreiz, die Langfristanlage in Aktien, ETF, Fonds und Co. zu fördern. Eine Rückkehr zur alten Jahresfrist wäre fein, auch mit einer fünfjährigen Frist, wie jetzt von der CSU vorgeschlagen, um die Altersvorsorge zu fördern, könnten Langfristanleger auf jeden Fall leben.
Die Spekufrist würde das Signal senden, dass Beteiligungen an Unternehmen eben gerade keine Zockerinstrumente sind. Schließlich ist die Chance, auf lange Sicht (gemeint sind zehn Jahre und mehr) mit einem gut diversifizierten Bestand von Aktien im Depot ordentlich Geld zu machen, ziemlich hoch. Das zeigt nicht zuletzt auch eine unlängst vorgestellte Studie des ZEW für den Verbraucherzentrale Bundesverband. Für Privatanleger sind ETF auf breitgestreute Indizes wie den MSCI World oder den MSCI ACWI eine tolle Möglichkeit, langfristigen Vermögensaufbau zu günstigen Kosten zu breiten. Details dazu finden Sie in unserem ETF-Buch für die Stiftung Warentest.
Doch die Rückkehr zur Spekufrist wäre nur eine Maßnahme, um Vermögensaufbau und Kapitalbildung von Arbeitnehmern zu fördern. Was ist denn mit einer Aufstockung des Sparerpauschbetrags (seit Jahr und Tag 801 Euro pro Person), was ist mit einem attraktiveren Rahmenbedingungen für Vermögenswirksame Leistungen? Warum nicht ein Modell nach dem 401k-Schema der USA anbieten, das in der Aufbauphase steuerfrei ist und erst bei Auflösung der Bestände Steuern verlangt? Warum eigentlich eine Finanztransaktionssteuer auf Aktien und nicht bloß auf Derivate? Die Liste ließe sich gewiss noch verlängern.
Es ist wirklich an der Zeit, das über das Thema Förderung des Vermögensaufbaus in Deutschland verschärft nachgedacht wird.
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So richtig mit der Logik hatte es der Gesetzgeber ja noch nie. Die Spekulationsfrist lag noch etwas früher bei 6 Monaten. Zu Zeiten der Spekulationsfrist wurde zwar der Kupon bei Aktienanleihen besteuert, der Gewinn bei Discountzertifikaten nach Ablauf der Frist aber nicht, obwohl man beide Produkte gleich konstruieren kann. Der Sparerfreibetrag hat mit 6000.- DM begonnen, man wollte ja Omas angespartes Vermögen nicht unmäßig belasten. Man konnte auch mal Kreditzinsen von Wertpapierkrediten als Werbungskosten ansetzen, das ist heute alles im Freibetrag pauschal abgegolten.
Man beachte auch, dass vor Einführung der Abgeltungssteuer rückwirkend die Besteuerung von Zertifikaten geändert wurde. Der Gesetzgeber hatte dabei schon Übung, denn auch bei Immobilien lief das so, als die Spekulationsfrist von 2 auf 10 Jahre erhöht wurde. Der Gesetzgeber hat sein Versprechen des Bestandsschutzes von Altbeständen von Fonds auch nicht eingehalten sondern nun einen Freibetrag von 100.000.- für Altbestände übrig gelassen.
Der deutschen Sparer wird nicht nur nicht gefördert, er wird systematisch daran gehindert, für's Alter Kapital in Eigenregie aufzubauen. Bei unterstellten 2% Inflation muss der Sparer 2,7% pro Jahr erwirtschaften, um nach Steuern und Inflation seine Kaufkraft erhalten zu können. Statt hier nun zu unterstützen und entlasten, wird im Gegenteil immer wieder über eine höhere Abgeltungssteuer oder gar die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer nachgedacht.
Gleichzeitig wird davon geredet (mehr aber auch nicht), den Sparer darin zu bestärken, in Aktien und Fonds zu investieren. Das mit der Volksaktie Deutsche Telekom wurde damals ja auch nichts, d.h., der Staat hat an den Emissionen gut verdient, der Investor nur dann, wenn er tatsächlich Kasse gemacht hat, als die Blase damals geplatzt ist. Man erinnere sich auch daran, wie die DTAG erst t-online ausgegliedert hat um sie dann zu einem Drittel des Emissionspreises wieder vom Markt zu nehmen. Da hat der Konzern soz. durch die Hintertür sowas wie einen Leerverkauf eigener Aktien getätigt und gut daran verdient. Legal, ein guter Zug aus Sicht des Aktionäres der DTAG, dem normalen Sparer aber nicht zu vermitteln. Man kann sogar hinterfragen, wie die Privatisierung des Staatseigentums zu erklären ist: Erst wird mit unseren Steuergeldern ein Konzern aufgebaut, dann dürfen wir vom Nettogehalt den Konzern gleich nochmals (überteuert) kaufen. Wie würden die Deutschen zur Aktie stehen, wenn ihnen damals die Aktien gegeben worden wären? Nicht als Geschenk sondern als tatsächliche Eigenümber dieses ehemaligen staatlichen Betriebes.
Es ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. So schnell kann man gar nicht rennen, so dass man dem staatlichen Zugriff entgehen könnte.
Natürlich wäre eine Spekulationsfrist sinnvoll, die so ausgestaltet sein kann, dass der langfristige Sparer gefördert und der kurzfristige Spekulant besteuert wird. Man könnte auch Produkte eigens für die Altersvorsorge einführen, z.B. ein eigenes Altersvorsorgedepot, in das man nur einzahlen kann, das auch vererbt werden kann, aber aus dem man erst im Rentenalter entnehmen kann. Alle Transaktionen innerhalb des Depots bleiben steuerfrei. Oder Fondssparpläne mit entsprechender Ausgestaltung. Oder sowas wie der hongkonger MPF.
Soll man sich wirklich wundern, dass der Deutsche Aktienmuffel bleibt?
Die Wiedereinführung der Spekulationsfrist würde meiner Ansicht nach dazu führen, dass sich Wohlhabende über sogenannte "Millionärsfonds" komplett und völlig legal vor Steuerzahlungen drücken (wie vor Einführung der Abgeltungssteuer). Ich finde aber, dass vor allem Reiche eine Verpflichtung haben, sich an der Finanzierung des Staates zu beteiligen. Gerechter wäre es daher, das frühere Halbeinkünfteverfahren wieder einzuführen und den Sparerfreibetrag deutlich zu erhöhen. Das würde den kleinen Aktiensparer deutlich entlasten, ließe aber keine steuerlichen "Fluchtwege" für Großaktionäre.