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Unternehmensgewinne in Europa sind stark von der Entwicklung des US-Dollar abhängig
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Unternehmensgewinne in Europa halten mit Kursen nicht Schritt

Die Unternehmensgewinne in Europa haben den Aktienkursen zuletzt ordentlich Rückenwind verschafft. Es bewahrheitete sich mal wieder, dass langfristig die Entwicklung der Unternehmensgewinne als wichtigster Einflussfaktor für den Kursverlauf an den Börsen dient. Das hat sich im vorigen Jahr wieder gezeigt. Denn besser als erwartet ausgefallene Unternehmensergebnisse verschafften der Aktien-Rallye rasanten Speed.

In der zweiten Jahreshälfte 2022 hat es sich wie ein roter Faden durch die Bilanzen europäischer Unternehmen gezogen: Die Gewinne vieler Aktiengesellschaften sind wesentlich stärker gestiegen als es die ursprünglichen Ausblicke der Unternehmensmanager und der Analysten hatten erwarten lassen. Zum Teil lag das daran, dass der Wirtschaftsabschwung nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine nicht so gravierend ausfiel wie befürchtet. Zudem hatten es die Firmen in einem inflationären Umfeld vergleichsweise leicht, Preiserhöhungen durchzusetzen und so ihre Gewinnmargen aufzupäppeln.

Der Dollar beeinflusst die Unternehmensgewinne in Europa entscheidend

Ein ganz entscheidender Faktor für die Unternehmensgewinne in Europa war jedoch auch die Währungsentwicklung, sprich der starke Dollar beziehungsweise schwache Euro. Dies hat nicht nur die Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen verbessert, sondern auch hohe „Windfall-Profits“ bei der Umrechnung von Dollareinnahmen in Euro gebracht. Es macht schließlich einen Riesenunterschied aus, ob man für 100 eingenommene Dollar beim Umtausch 86,30 Euro erhält – wie am 30.9.2021 bei einem Euro-Kurs von 1,16 Dollar – oder 102 Euro wie ein Jahr später bei einem Euro von 0,98 Dollar. Und das hat sich gewaltig in vielen Quartalsbilanzen und im Gesamtjahr 2022 niedergeschlagen.

Beispielsweise meldete die finnische Nokia für das vorige Jahr einen Umsatzsprung von 12 Prozent. Ohne die Dollar-Aufwertung wären es nach den Firmenangaben nur 6 Prozent Plus gewesen. Oder der Pharmariese Novo Nordisk. Der Umsatz kletterte bei den Dänen 2022 um 26 Prozent – währungsbereinigt wären es nur 16 Prozent gewesen. Oder der DAX-Wert Siemens Healthineers, der im Zeitraum Oktober bis Dezember 2022 magere 0,2 Prozent mehr Umsatz als ein Jahr zuvor einfuhr – ohne Währungseffekt hätte sich ein dickes Minus von 4,5 Prozent ergeben.

Berg- und Talfahrt der Gewinnschätzungen

Die starke Abhängigkeit europäischer Aktiengesellschaften von der Dollarentwicklung zeigen eindrucksvoll die Gewinnschätzungen für das vierte Quartal 2022 des breiten Börsenindex Stoxx 600 Europe. Er enthält Aktien aus 17 Ländern mit einem Deutschland-Anteil von rund 13,5 Prozent. Anfang November 2022 hatten die Analysten nach den Daten von Refinitiv I/B/E/S Data für die Unternehmen im Stoxx 600 im Durchschnitt noch einen happigen Gewinnzuwachs um 21 Prozent gegenüber dem Schlussquartal 2021 prognostiziert. Bis Ende Januar 2022 war das Plus aber dramatisch  auf 7 Prozent geschrumpft – hauptsächlich deshalb, weil der Euro nach seiner bis Anfang Oktober anhaltenden steilen Talfahrt auf Kurse bis zu 0,95 Dollar nach oben drehte und sich bis Ende Januar 2022 auf bis zu 1,10 Dollar erholte.

Entsprechend fielen die Wechselkursgewinne aus dem Dollarraum deutlich kleiner aus als noch zu Beginn des vierten Quartals. Und deshalb nahmen die Analysten die Schätzungen für die Unternehmensgewinne in Europa von  international tätigen Unternehmen drastisch zurück. Inzwischen hat sich die Dollar-Tendenz wieder gedreht und der Euro ist nur noch 1,06 Dollar wert. Die Analysten haben sofort reagiert und bis Mitte Februar das Gewinnplus der Unternehmen auf 11,3 Prozent nach oben korrigiert.

Aus Rückenwind wird Gegenwind

Die Ertragsprognosen der Experten für 2023 sehen seit der teilweisen Euro-Erholung ebenfalls nicht mehr so optimistisch aus als noch vor ein paar Monaten: Für das erste Quartal wird zwar noch ein Gewinnanstieg um 4,0 Prozent vorausgesagt, aber im zweiten und dritten Vierteljahr sollen die Erträge niedriger ausfallen als 2022 – den Schätzungen zufolge um 6,4 beziehungsweise 8,3 Prozent. 2022 waren es im Durchschnitt laut Refinitiv I/B/E/S stolze 17,6 Prozent Gewinnplus.

Für die Börsen bedeutet das, dass der starke Rückenwind, mit dem die Ertragsentwicklung die Kurse in den letzten Monaten angetrieben haben, zunächst abnehmen und dann sogar in Gegenwind umschlagen kann. Vor allem dann, wenn die Euro-Schwäche beziehungsweise Dollar-Stärke im Jahresverlauf 2023 nicht so ausgeprägt  ausfällt wie 2022.

 

 

 

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