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Finanztransaktionssteuer: Zu recht besteuert – oder bescheuert?

Die Finanztransaktionssteuer lässt kaum einen Marktteilnehmer kalt, die Emotionen kochen seit Monaten hoch. Trotz des hitzigen Schlagabtauschs über das Für und Wider der Finanztransaktionsteuer preschen mindestens elf EU-Länder um Deutschland und Frankreich vor und wollen die Steuer ab 2014 einführen. Schweden und Großbritannien, der bedeutendste Finanzplatz der EU, bleiben allerdings außen vor.

Mit der Steuer soll die Finanzbranche an den Kosten des Kampfes gegen die Schuldenkrise beteiligt werden, die sie selbst dramatisch verschärft hat. Schließlich hätten die Staaten seit Beginn der Finanzkrise rund 4,5 Billionen Euro vor allem an Garantien für den Finanzsektor bereit gestellt, hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bereits 2011 klargestellt. Es sei daher an der Zeit, dass der Finanzsektor seinen Beitrag zahle. Mit der Finanztransaktionssteuer soll darüber hinaus aber auch der umstrittene Hochfrequenzhandel eingedämmt werden, der immer wieder als Auslöser von enormen Kursschwankungen und –kettenreaktionen gesehen wird. Laut Kommission könnte die Steuer 57 Milliarden Euro pro Jahr in die Kassen spülen – sofern die Steuer EU-weit kommt; mit wie viel Geld zu rechnen ist, wenn sie nur in der Kerngruppe von elf Staaten eingeführt wird, dafür gibt es derzeit noch keine genaueren Schätzungen.

Kritiker der Steuer bemängeln, dass eine Finanztransaktionssteuer, die nur in wenigen Ländern startet, in Zeiten der Globalisierung dazu führen wird, dass der Finanzsektor in diesen Ländern geschwächt wird und wegen der Mobilität des Kapitals die Geschäfte in andere Länder verlagert werden. Dieser Effekt ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Aber wenn man eine Finanztransaktionssteuer erst einführt, wenn wirklich alle Akteure mit dabei sind, dann kommt sie vermutlich nicht vor dem Jahr 20013. Denn irgendein halbseidenes Steuer- und Finanzparadies irgendwo auf dem Globus wird sich immer weigern dabei zu sein.

Schließlich lassen sich mit dem Globalisierungsargument fast alle nationalstaatlichen Steuerpläne aushebeln.

Die Situation lässt sich mit der Klimadebatte vergleichen. Klar ist es besser, wenn alle überall jetzt und sofort sich darum bemühen, schädliche Klimagase zu vermeiden. Aber irgendeinen Abweichler gibt es immer. Deshalb ist es trotzdem nicht falsch, im eigenen Land oder einer größeren Region etwas gegen den Klimawandel zu tun – und damit Druck aufzubauen gegen die Klimasünder.
So könnte es auch bei der Finanztransaktionssteuer gelingen.

Klar ist aber auch: Es kommt ganz entscheidend auf ihre genaue Ausgestaltung an.
Dem Vernehmen nach sehen die Pläne einen Steuersatz von 0,1 Prozent auf Aktien- und Anleihendeals vor, bei Derivaten soll der Satz dagegen nur 0,01 Prozent betragen. Diese Unterscheidung ist für mich nicht nachvollziehbar – warum diese Besserstellung ausgerechnet für die ohnehin schwer zu regulierenden Derivate? Warum nicht genau die umgekehrte Regelung – oder der Einfachheit halber ein einheitlicher, niedriger Satz?

Man erinnere sich: Contracts for Difference (CFDs) entstanden erst als Ausweichreaktion auf die britische Stempelsteuer. Ob die Welt diese Zockerpapiere unbedingt braucht, sei dahingestellt. Dem Spieltrieb dienen sie auf jeden Fall, der langfristigen Refinanzierung von wichtigen Akteuren einer Volkswirtschaft dagegen eher weniger.

Überlegen ließen sich auch Ausnahmen von der Transaktionssteuer für Privatanleger – etwa wenn die Steuer nur beim Verkauf anfiele und auch nur dann, wenn ein Papier kürzer als zum Beispiel ein halbes oder ein Jahr gehalten wurde. Die alte deutsche Spekulationsfrist ließe grüßen. Auf jeden Fall kann man bei der Ausgestaltung der Steuer viel richtig, aber auch eine Menge verkehrt machen.

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DerivatePolitik
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