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Es waren zwei Königskinder …

Die deutsch-französische Freundschaft ist in den vergangenen Tagen viel besungen worden – zu Recht, denn 50 Jahre Elysée-Vertrag sind das Feiern wert. Trotzdem darf gerade jetzt nicht unter den Tisch fallen, dass sich die beiden „Königskinder“ der EU wirtschaftlich erheblich auseinander gelebt haben. Und das bereitet Sorgen.

Der frühere Vizepräsident der EU-Kommission, Günter Verheugen, bezeichnete die unterschiedliche Entwicklung dies- und jenseits des Rheins gestern in einem Vortrag am ifo-Institut in München sogar als Hauptursache für die Euroland-Misere. Er sieht in der“deutsch-französischen Verantwortungsgemeinschaft“, die jahrzehntelang  funktioniert habe, nur noch eine Fassade, da emotionale Tiefe und vor allem „Gleichgerichtetheit der Interessen“ verloren gegangen seien. „Frankreich und Deutschland“, konstatierte der jetzige Professor an der Europa-Universität Frankfurt/Oder, „sind im Gegenteil zu Protagonisten der beiden großen Lager in der Eurozone geworden“. Verheugen meinte damit Deutschland als „Anführer“ der Nord-Länder, Frankreich als Interessenswahrer der Süd-Staaten.

Wie sehr der langjährige EU-Kommissar mit seiner Einschätzung Recht hat, belegen eindrucksvoll die wichtigsten ökonomischen Daten, die ifo in seiner Konjunkturprognose für 2013 für Deutschland und Frankreich (und dazu noch Italien) gegenüber gestellt hat:

– die Arbeitslosenquote fällt in Deutschland seit Jahren und lag 2012 mit 5,5 % nur gut halb so hoch wie in Frankreich mit 10,4 %,

– Deutschland hat seine Neuverschuldung deutlich zurückgeführt, auf nahe Null 2012, während Frankreich mit 4,5 % die Euro-Defizitobergrenze von 3,0 % immer noch weit übertrifft,

-die deutsche Leistungsbilanz weist 2012 einen Überschuss von 5,7 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf, die französische ein Defizit von 2,2 %. Zum Vergleich: 1999 hatte der Nachbar einen Überschuss erzielt, Deutschland dagegen ein Defizit.

– Die Staatsquote erreichte in Frankreich rekordverdächtige 56,4 % des BIP, in Deutschland 45,2 %,

– Deutschland verfügt über ein Netto-Auslandsvermögen von 32,6 % des BIP, Frankreich hat dagegen Auslandsschulden von 15,9 %,

– Der Weltmarktanteil der deutschen Wirtschaft ist von 1999 bis 2012 von 9,6 auf 7,8 % gefallen, in Frankreich aber gleich von 5,7 auf 3.2 %. Den Aufstieg der Schwellenländer hat Deutschland also weitaus besser verkraftet.

– Der Hauptgrund dafür: die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs hat erheblich gelitten. Seit 1999 ist der BIP-Deflator dort um 26,1 % gestiegen und die Lohnstückkosten um 29 %, in Deutschland dagegen mit 12,1 bzw. 9,5 % nur halb bzw. ein Drittel so stark.

Frankreich hat aufgrund dieser Fehlentwicklungen noch einen verflixt weiten Weg vor sich, wenn es das andere EU-Königskind Deutschland wieder in Sichtweite bekommen will. Ob Francois Hollandes Politik diesen Aufholprozess in Gang bringen kann, ist aber sehr fraglich – obwohl er in den letzten Wochen ein paar richtige Schritte in die richtige Richtung gemacht hat.
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