Als die Anleihenzinsen Mitte August weltweit auf neue Rekordtiefs gefallen waren, gingen viele Experten davon aus, dass die Renditen noch viel tiefer sinken dürften – weil von den Notenbanken noch mehrere Zinssenkungsrunden erwartet worden waren. Dennoch gehen die Renditen seither wieder nach oben – von einem absurd niedrigen Niveau aus.
Vor gut zwei Monaten rentierten 10jährige Bundesanleihen mit minus 0,74%. Anleger zahlten also pro 1000 Euro Jahr für Jahr dem Finanzminister 7,40 Euro dafür, dass sie ihm Geld leihen „dürfen“. In den anderen Ländern der Eurozone waren die Zinsen zwar nicht ganz so weit im Negativbereich, aber ebenfalls auf Rekordtief. Seither aber hat sich der Wind gedreht, 10jährige Bundesanleihen bringen heute „nur“ noch minus 0,35%, für 30jährige Staatsanleihen gibt es sogar mit plus 0,19% wieder echte Zinsen. Wer vor zwei Monaten eine Bundesanleihe mit 10 Jahren Laufzeit gekauft hat, sitzt damit auf einem Kursverlust von 5,5%, weil die Kurse fallen, wenn die Renditen steigen.
Warum aber klettern die Zinsen wieder, obwohl die Konjunkturprognosen weltweit Monat für Monat weiter nach unten korrigiert werden? Vermutlich ist der Hauptgrund, dass der Zinsrutsch tief in den negativen Bereich, der ab dem Frühjahr stattgefunden hatte, inzwischen als spekulative Übertreibung angesehen wird. Aus Angst vor den Folgen von Brexit, Handelskriegen und Wirtschaftsabschwung flüchteten viele Großanleger in „sichere“ Anleihen. Und da dies alle gleichzeitig taten, kam es zu diesem gewaltigen Renditeverfall.
Inzwischen, und das ist ein weiterer Grund, werden leise Hoffnungen auf eine Einigung im US-chinesischen Zollkrieg laut. Kommt es dazu, werden wohl die düsteren Konjunkturerwartungen nicht Wirklichkeit werden. Und drittens wird von Expertenseite zunehmend Kritik an dauerhaften Negativzinsen laut. Gestern hat Jamie Dimon, mächtiger Boss der US-Großbank JP Morgan beklagt, dass die Negativzinspolitik auf Dauer eine „wirklich schlechte Idee“ sei. Man wisse gar nicht, welche Konsequenzen das langfristig für Wirtschaft und Kapitalmärkte haben werde.
Falls dieses Umdenken immer mehr Befürworter findet, könnte tatsächlich eine dauerhafte Renditewende am Rentenmarkt Platz greifen. Und das hätte erhebliche Konsequenzen: Zum einen käme es zu hohen Kursverlusten bei lang laufenden Anleihen. Das befürchten anscheinend immer mehr Anleger, weil seit Wochen ein klarer Trend zu kürzeren, weniger kursgefährdeten Bonds geht. Zum anderen dürfte das die Aktienmärkte beflügeln.
Aktien mit Dividendenrenditen von 2% und mehr werden von Anlegern, die auf laufende Erträge angewiesen sind, zunehmend als Alternativen zu Anleihen betrachtet. Deshalb beginnt anscheinend ein Umschichtungsprozess hinein in Aktien. Und da profitieren vor allem die Branchen, die am stärksten unter den Negativzinsen und den Konjunkturängsten gelitten haben: Bankaktien und europäische Aktien aus den zyklischen Industriebereichen wie Maschinenbau und Chemie.
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