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Sind Draghi & Co. ganz unschuldig am Zinstief?

Nicht erst seit der der Zinssenkung in der vorigen Woche muss sich EZB-Chef Mario Draghi gegen scharfe Kritik wehren. Deshalb versuchen die Notenbanken der Industrieländer schon seit Jahren, die Schuld an den nun schon seit 11 Jahren währenden weltweiten Mini- und Negativzinsen von sich zu weisen. Zum Teil gelingt das, weil viele Medien die Argumentation der Notenbanker zu übernehmen beginnen.

In zahlreichen Reden und Studien haben die Zentralbanken in Europa und Amerika nach Erklärungen für die historisch tiefen Zinsen gesucht – und natürlich auch gefunden. Und sie wiederholen diese Gründe gebetsmühlenartig so oft, dass sie von vielen Zeitgenossen langsam als entscheidend für die Enteignung der Sparer angesehen oder zumindest in Betracht gezogen werden. Die PR-Arbeit der Notenbanken zeigt also Wirkung. Die Argumentationskette stützt sich vor allem auf diese Gründe:

  • Die Demografie sorgt für ein erhöhtes Sparaufkommen, weil weltweit – auch in den Schwellenländern – immer mehr Menschen genügend Einkommen erzielen, um etwas auf die hohe Kante zu legen, vor allem fürs Alter.
  • Gleichzeitig führt die zunehmend ungleichere Einkommenverteilung dazu, dass mehr gespart wird, weil reichere Menschen viel mehr Geld beiseite legen können.
  • Die Sparer sind seit der Finanzkrise 2008 noch risikoaverser geworden und legen ihr Geld lieber zinslos an, als in Aktien und andere Risikoanlagen zu investieren.
  • Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Kapital langsamer als früher, da die Unternehmen bei schwachem Wachstum vorsichtig mit Investitionen sind und die Staaten wegen ihrer hohen Schulden weniger neue Schulden machen.

Diese Argumente mögen zwar einen Teil des Zinsrutsches erklären – aber sicherlich bei weitem nicht das enorme Ausmaß bis hinein in den negativen Bereich. Fakt ist nun einmal, dass die Notenbanken die Kurzfristzinsen ab 2008 immer tiefer gesenkt und gleichzeitig eine gewaltige Geldflut über die Welt verteilt haben. Und diese Geldflut ist größtenteils über ein Instrument erzeugt worden, das – außer in Japan, wo es früher begann – erst seit der Finanzkrise großflächig angewendet wird: Anleihekäufe im Rahmen des so genannten Quantitative Easing (QE). Diese Anleihekäufe waren so gewaltig, dass die US-Notenbank seit langem der größte Gläubiger des US-Staates ist und die EZB mit einem Anleihevolumen von über 2,6 Billionen Euro bei vielen Staatsanleihen an ihre Grenzen stößt, wenn sie im November mit neuen Anleihekäufen startet. Denn die EZB darf von jeder Anleihe höchstens ein Drittel des Volumens kaufen.

Nicht zuletzt ist die geringere Kapital-Nachfrage natürlich auch ein Ergebnis der Nullzinsen: Die Zinslast von Staaten und Unternehmen ist dramatisch gesunken, weil es nun einmal einen gewaltigen Unterschied ausmacht, ob ein Kredit oder eine Anleihe mit 0% bis 2% verzinst werden muss oder  – wie vor der Finanzkrise üblich – mit 5% bis 10%. Ohne diese Zinsersparnis müssten Staaten und Unternehmen viel mehr Kredit aufnehmen. Derzeit tragen Anleihen weltweit im Volumen von 17 Billionen Dollar Negativrenditen. Nach Inflation, also real, bedeutet das eine nie dagewesene gigantische Geldentwertung für Zinssparer.

Die Bank of England geht in Studien davon aus, dass aufgrund der aufgeführten Faktoren die Zinsen noch weitere 15 Jahre tief bleiben werden. Und die armen Notenbanken können angeblich fast nichts dafür, dass die Anleger noch so lange leiden müssen.

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