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Freitagsfrage: Warum Bernanke die Geldschleusen offen lässt – und was das bedeutet

Amerikas Notenbankchef Ben Bernanke hat die meisten Experten und mit ihnen die Finanzmärkte auf dem falschen Fuß erwischt, weil er nicht – wie vielfach erwartet – den Ausstieg aus dem Anleihenkaufprogramm der Fed verkündet hat, sondern alles beim alten lässt. Warum hat Bernanke so gehandelt – und was heißt das für die Anleger?

Ein guter Bekannter hat mir soeben erzählt, dass er sich so sicher war, dass die Fed die Anleihenkäufe verringern werde, dass er kräftig short mit Aktien gehen wollte. Er hat es dann doch nicht getan – und sich herbe Verluste erspart. So wie ihm ging es den meisten Experten. Sie erwarteten, dass die Fed das Volumen der Käufe von US-Staatsanleihen und Hypothekenpfandbriefen von 85 Milliarden auf 75 bis 80 Milliarden Dollar zurückfahren und dann jeden Monat die Käufe weiter kürzen werde. Nun bricht die Kritik über Bernanke herein – aber, wie ich finde, zu unrecht. Denn er hat konsequent gehandelt.

Erstens hat er nie als sicher ausgegeben, dass er im September mit der Rückführung der Anleihenkäufe beginnen werde, sondern ab Mai, als er das erste mal davon sprach, immer gesagt, es hänge von den Daten ab. Und die Konjunkturdaten haben sich in den letzten Wochen nicht mehr so uneingeschränkt positiv entwickelt wie zuvor. Vor allem der Arbeitsmarkt, auf den Bernanke sein Hauptaugenmerk legt, kommt nicht so gut voran wie es der Fed vorschwebt. Die Arbeitslosenquote nähert sich zwar mit 7,3 Prozent der Zielquote von 6,5 Prozent an – aber teilweise aus den falschen Gründen. Immer mehr arbeitslose Amerikaner haben nämlich die Suche aufgegeben.

Zweitens ist die Inflationsrate, die zweite Orientierungsgröße für die Fed, zuletzt wieder gefallen, von 2,0 Prozent im Juli auf 1,5 Prozent im August. Hier strebt Bernanke mit 2,5 Prozent deutlich mehr an. Der starke Rückgang weckt in ihm vermutlich die Befürchtung, die Preise könnten Richtung Deflation laufen – und vor nichts hat Bernanke so viel Angst wie vor einem allgemeinen Rückgang des Preisniveaus. Das will er um jeden Preis verhindern.

Drittens ist inzwischen klar, dass nicht Obamas ursprünglicher Favorit Larry Summers, der die Bekämpfung der Inflation in den Mittelpunkt gestellt hätte, Nachfolger Bernankes ab Februar 2014 werden wird, sondern Bernankes Vizechefin bei der Fed, Janet Yellen. Sie richtet in Krisenzeiten so wie er das Augenmerk besonders auf die Arbeitslosigkeit und steht damit für eine uneingeschränkte Fortsetzung von Bernankes Politik. Beide haben aus den Erfahrungen Japans gelernt und glauben, dass ein zu früher Ausstieg aus der ultraleichten Geldpolitik die Erfolge der Maßnahmen extrem gefährden und einen Rückfall in die Krise heraufbeschwören kann. Dies vor allem unter dem Aspekt, dass die Finanzpolitik der USA wegen der automatischen Haushaltskürzungen und der drohenden Zahlungsunfähigkeit ab nächstem Monat restriktiv bleiben wird. Hier will Bernanke einen geldpolitischen Ausgleich schaffen.

Für die Märkte bedeutet das, sich neu zu orientieren. Der Ausstieg aus dem Anleihenkaufprogramm wird jetzt nach Ansicht von Beobachtern nicht vor Dezember passieren, womöglich aber auch erst nach Bernankes Abschied. Das hat Folgen: Die Renditen der Staatsanleihen, die seit Mai steil gestiegen sind, dürften sich zumindest stabilisieren, weil die Fed zunächst unverändert viele Papiere vom Markt nimmt. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Nullzinspolitik länger als erwartet andauern wird, da nach dem Ende der Anleihenkäufe erst noch eine gewisse Zeit verstreichen muss, bis auch die Zinsen angehoben werden können. Das alles verzögert sich jetzt um Monate.

Bankeinlagen bringen damit weltweit noch weit über das nächste Jahr hinaus nur Zinsen unterhalb der Inflationsrate, vernichten also real Kapital. Gewinner sind die Risikopapiere. Das gilt für Gold, das am meisten unter dem erwarteten Ende der Geldflut gelitten hat, und vor allem für Aktien. Sie profitieren von der Konjunkturstützung der Fed, da dies die Unternehmensgewinne vorantreibt. Insbesondere die Emerging Markets, die wegen der Diskussion über den Ausstieg aus der Geldflut massive Kapitalabflüsse verzeichnet hatten, haben gute Aussichten . Zudem weisen sie erheblichen Nachholbedarf gegenüber den Aktien der Industriestaaten auf. Nach einer Phase der Neuorientierung der Anleger dürfte deshalb der Aktienaufschwung weitergehen.

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