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Freitagsfrage: Stürzt Italiens Bankenkrise Europa in eine neue Finanzkrise?

Bereits vor dem „Brexit“ hatte es sich abgezeichnet: Italiens Bankenkrise wird immer gefährlicher. Seit den Wirren um Britanniens EU-Austritt hat sich die Lage nochmals dramatisch verschlechtert – abzulesen an den Kursstürzen der italienischen Bankaktien, aber auch der übrigen europäischen. Kommt aus Italien also eine neue Finanzkrise auf Euroland und das Weltfinanzsystem insgesamt zu?

Bereits beim europäischen Stresstest 2014 war klar: Italiens Geldhäuser haben zu viele Problemkredite und zu wenig Kapital – immerhin 9 der 15 getesten Banken fielen durch. Die Zeit seither wurde aber nicht genutzt, um die Schwierigkeiten zu verringern. Im Gegenteil: Die EZB sah sich jetzt sogar gezwungen, die problematischste Bank, die Banca Monte dei Pascha di Siena (BMPS), schon vor dem nächsten Stresstest Ende des Monats zu einer Verringerung, sprich Verkauf, eines großen Teils ihrer Problemkredite zu verpflichten. Das drittgrößte italienische Bankhaus hat aber die Problemdarlehen längst nicht so weit abgeschrieben, dass sie bei einem Verkauf ungeschoren davon käme. Daher klafft eine Milliardenlücke an Kapital.

Bei den anderen Banken sieht es besser, aber längst nicht gut aus. Insgesamt schieben sie für 360 Milliarden Euro faule Darlehen vor sich her, die im Schnitt auf 40 % ihres Werts abgeschrieben sind – aber nötig wäre eine Abschreibung auf 20 %. Diese Lücke will Ministerpräsident Renzi mit einer staatlichen Geldspritze von 40 Milliarden Euro schließen helfen – aber der EU-Gipfel hat ihm dieses Vorhaben untersagt – vorerst. Denn nach den neuen Regeln müssen erst Gläubiger und Eigentümer bluten, bevor der Staat eingreifen darf. Das aber will Renzi verhindern, weil, anders als in den meisten anderen Ländern, Privatanleger einen großen Teil der Bankanleihen gekauft haben und somit Milliardenverluste erleiden müssten. Das macht sich bei den Wählern nicht besonders gut, zumal die Protestpartei „5 Sterne“ erstmals die Mehrheit bei Wahlumfragen erreicht hat

Warum aber stecken Italiens Banken so tief im Sumpf? Zum einen, weil sie massiv Staatsanleihen gekauft haben und jetzt schon 22% der gesamten Staatsschuld besitzen, fast doppelt so viel wie vor der Finanzkrise. Da Staatsanleihen bei den EU-Regulierern als risikolos gelten, müssen Banken dafür kein Eigenkapital vorhalten. Dadurch sehen die Risikokennziffern nicht so schlimm aus, wie sie tatsächlich sind. Schließlich ist Italien nach Griechenland das Land mit der höchsten Staatsverschuldung – 135 % der Wirtschaftsleistung. Die Banken haben das Kapital, das sie nicht für Staatsanleihen gebraucht haben, nicht gespart, sondern locker verteilt, an Aktionäre und sonstige Eigentümer, insbesondere Kommunen, denen ein Großteil vieler Banken gehören. Die Politiker haben mit dem Geld Wahlgeschenke bezahlt. Und jetzt fehlt es an allen Ecken und Enden.

Die Schwierigkeiten hätten sich leichter überwinden lassen, wenn Italien nicht in einem Teufelskreis stecken würde: Die Konjunktur ist malade, in den letzten fünf Jahren war die Rezession fast Dauergast, und seit dem Beginn des Jahrhunderts ist Italiens Wirtschaft real per saldo nicht gewachsen. Das hat mit dazu beigetragen, dass die Immobilienpreise weiter gefallen sind, als sie andernorts schon wieder angezogen haben. Auf Baudarlehen aber entfallen viele faule Kredite, mehr noch auf Firmen, die unter der Konjunktur leiden.

Immer mehr Experten sehen nur noch einen Ausweg: dass Italien tatsächlich den Banken die 40 Milliarden Euro zuschießt, ohne vorher die Eigentümer und Gläubiger zu belangen. Die Chance dazu tut sich Ende des Monats auf, wenn der Stresstest erhebliche Lücken in der Kapitalausstattung feststellen sollte. Denn die Haftungsregeln sehen vor, dass in den Tests
festgestellte Kapitallücken mit Staatsgeld gestopft werden können. Und dann können auch die anderen Staaten darauf verweisen, dass die neuen Regeln nicht verletzt werden.

Vieles spricht dafür, dass es so kommen wird – aber bis die Entscheidung in den nächsten drei bis fünf Wochen fallen könnte, wird die Angst vor einer Euro- und Finanzkrise umgehen und auch die Aktienbörsen immer wieder belasten.

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