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Es wird Zeit für einen Zins-Warnschuss der EZB

Selten zuvor gingen die Meinungen über eine Zinswende in Europa so weit auseinander wie zurzeit. Einige Experten rechnen sogar schon auf der morgigen Zentralbankratsitzung mit einem ersten Zinsschritt, andere bleiben dabei, dass dies frühestens zur Jahreswende passieren wird. Mein Tipp: Die erste Leitzinserhöhung kommt früher als die meisten erwarten.

Wie auf Kommando (wahrscheinlich war es auch eins) hat sich die Wortwahl der führenden EZB-Banker in den letzten Wochen verändert, von Trichet bis zu seinem möglichen Nachfolger Draghi: Plötzlich sprechen sie nicht mehr von vorübergehendem Inflationsdruck und angemessener Zinshöhe, sondern warnen vor Zweitrundeneffekten steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise und vor zu starken Lohnsteigerungen. In aller Regel bereiten die Währungshüter mit so einem verbalen Schwenk Zinsveränderungen vor. Die Devisenmärkte jedenfalls haben Witterung aufgenommen und in Erwartung einer viel früheren Zinserhöhung in Europa als in den USA schon mal den Euro gehörig nach oben getrieben.

In der Tat spricht einiges für eine baldige Zinswende: Die Inflationsrate in Euroland lag im Januar mit 2,3 Prozent über der Zielmarke von zwei Prozent und wird angesichts seither weiter gestiegener Energie- und Rohstoffpreise im Februar wohl nochmals einen Tick zulegen. Und die Konjunktur entwickelt sich merklich besser als prognostiziert, vor allem in den wirtschaftsstarken Ländern rund um Deutschland. Dort ziehen die vorauseilenden Teuerungsindikatoren wie Erzeuger- und Importpreise so deutlich an wie seit langen nicht mehr. Aber was noch entscheidender ist: Die Inflationserwartungen an den Märkten und bei den Bürgern haben sich quasi im Wochenrhythmus nach oben geschraubt. Trichet und seine Mitstreiter wissen aber genau, dass es ungeheur schwer ist, den Preisanstieg zu dämpfen, wenn sich erst einmal die Teuerungserwartungen in den Köpfen der Verbraucher und Unternehmen festgesetzt haben. Ein Warnschuss zur rechten Zeit könnte hier schlimmeres verhinderen.

Es gibt aber natürlich auch gute Gründe gegen eine baldige Zinswende – sonst gingen die Prognosen ja auch nicht so weit auseinander. Zum einen kämpfen die Defizitsünder mit Griechenland und Irland an der Spitze mit erheblichen Wirtschaftsproblemen, so dass eine zu frühe Zinserhöhung die Lage noch verschlimmern könnte. Zum anderen bewegt sich die Geldmengenausweitung in einem Rahmen, der eigentlich nicht inflationsfördernd wirken dürfte. Die am weitesten gefasste Geldmenge M3, die alles von Bargeld bis zu kurz laufenden Anleihen umfasst, wächst extrem langsam mit einer Jahresrate von nur 1,5 Prozent. Und auf die Geldmenge achtet die EZB normalerweise sehr.

Die Pros und Contras sprechen insgesamt aber doch für eine baldige Leitzinserhöhung weg vom Krisenniveau von einem Prozent. Die EZB ist traditionell lieber vorsichtig in ihrer Zinspolitik, und das wird sie jetzt, da sie mit ihren Anleihenkäufen von Defizitstaaten und mit dem Verzicht des Stabilitätsgaranten Axel Weber auf die EZB-Präsidentschaft in Verruf geraten ist, um so mehr sein. Sonst hat sie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass sie bereits morgen die Zinsschraube hochdrehen wird, aber in einer der drei Frühjahrssitzungen von April von Juni dürfte sie beginnen. Zuerst muss sie abwarten, wie sich die Libyen-Krise entwickelt. Und sie muss zuvor auch in den offiziellen Statements nach den Ratssitzungen den Ton verschärfen und so die Märkte auf höhere Zinsen einstimmen. Und zudem wird sie morgen wohl als erstes klares Signal die Nothilfen für die Banken einschränken und damit zeigen, dass sie gewillt ist, bald zur Normalität überzugehen.

Für die Börsen muss das nicht unbedingt zur Belastung werden. Denn für viele Anleger stellt die Inflation die größte Gefahr für den Konjunktur- und Aktienaufschwung dar. Wenn hier die EZB rechtzeitig und maßvoll gegensteuert, kann das sogar zu einer Stütze für die Börsenkurse werden. Und für den Euro.

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