Für Rohstoff-Fans war der Mai bislang alles andere als ein Wonnemonat. Der Absturz der Preise bei einzelnen Commodities um bis zu ein Drittel binnen zwei Wochen hat aber viel mehr gute als schlechte Seiten. Und deshalb drängen Politiker und Notenbanker entschieden auf einen weiteren Rückzug der Rohstoffpreise.
Vor kurzem erzählte mir ein Sparkassen-Berater, ein Kunde habe alle Investmentfonds verkauft und wollte das Geld vollständig in Rohstoffen anlegen – vorwiegend in Silber. Denn die kleine Schwester des Goldes werde ja, wie man überall lesen konnte, todsicher bald 100 Dollar und mehr je Feinunze kosten. Damals lag der Preis bei knapp 40 Dollar. Und das bedeutete bereits mehr als eine Verdoppelung in Jahresfrist. Kurz danach erklomm der Edelmetallpreis fast die 50-Dollar-Marke, denn immer mehr Anleger und Zocker stiegen in den immer schneller werdenden Preiszug bergauf ein. Ab dem Allzeithoch fiel der Silberpreis dann aber wie ein Stein auf zeitweise 34 Dollar ab. Und das alles innerhalb von gut einem Monat.
Bei anderen Rohstoffen, egal ob Metallen oder Soft-Commodities, war das Auf und Ab zwar nicht so dramatisch, aber auch dort kannten die meisten Preise bis April nur noch den Weg nach oben. Sobald aber die Anleger überzeugt sind, dass es völlig risikolos und hochrentabel sei, in eine Anlageklasse zu investieren, ist der Wendepunkt meistens nahe. Denn Superrenditen ohne Risiko kann es leider auf effizienten Märkten auf Dauer nicht geben. Der Rückschlag kam zwar spät – aber er kam.
Politiker und Währungshüter weltweit sind heilfroh über den Preisrutsch. Sie wissen spätestens seit dem Internetaktien- und dem Immobiliencrash, wie verheerend ein platzende Spekulationsblase auf alle Bereich des Wirtschafts- und vor allem Finanzystems wirkt. Deshalb wollen sie eine Blasenbildung möglichst frühzeitig bekämpfen. Und vieles an den Rohstoffmärkten erinnert an die Blasen der Vergangenheit. Der Rohstoffpreisschub droht deshalb mit einem Timelag die mühsam erreichte und teuer erkaufte Stabilisierung der Weltwirtschaft zu verhindern, und zwar über zwei Schienen:
Erstens über die Inflation. In den Industriestaaten sind vor allem das teure Öl, aber auch die außer Rand und Band geratenen Preise für andere Metalle und Agrarrohstoffe die mit Abstand größten Inflationstreiber. In Schwellenländern wie China sind sie zwar nicht die einzigen, aber doch die wichtigsten Teuerungsgründe. Die Notenbanken wollen deshalb verhindern, dass sich der Preisschub auf die übrigen Bereiche ausdehnt und die Inflation dann auf so vielen Beinen steht, dass sie letztlich die große Zinskeule auspacken müssen, um den Weg zurück Richtung Preisstabilität zu erzwingen.
Zweitens über die Konjunktur. Jeder Dollar oder Euro, der für höhere Benzin- oder Lebensmittelpreise ausgegeben werden muss, fehlt an anderer Stelle, so dass die Nachfrage der Konsumenten, aber auch der Unternehmen, in den übrigen Bereichen leidet. Und da die wirtschaftliche Unsicherheit angesichts der steigenden Zinsen in den Schwellenländern und in Euroland sowie – und das vor allem – dem bevorstehenden Ende der amerikanischen Gelddruckaktion in Form massenhafter Käufe von Staatsanleihen ohnehin wächst, kann die Welt nicht auch noch weiter explodierende Rohstoffpreise brauchen. Das könnte die Konjunktur zum Kippen bringen.
Da hilft es natürlich, dass die Commodity-Märkte nach dem jüngsten Preiseinbruch keine Einbahnstraßen mehr ins Anleger- und Zockerglück sind, sondern dass allen bewusst gemacht wurde, wie risikoreich Rohstoffe sein können, zumindest kurzfristig. Das kühlt hoffentlich in nächster Zeit die Spekulation so weit ab, dass sich die Weltwirtschaft nicht an zu heiß gelaufenen Commoditypreisen ernste Verbrennungen holt – und Notenbanker und Finanzpolitiker nicht zu drakonischen Maßnahmen zwingt.
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