Wenn alle das Gleiche denken, kommt es meistens genau umgekehrt. Diese Börsenweisheit hat sich an den Aktienmärkten und speziell beim DAX einmal mehr bewahrheitet: Statt der Vielzahl von Prognosen zu folgen und bei 6100 Punkten nach unten zu drehen, hat der deutsche Leitindex diese Hürde bravourös gemeistert – und sucht nun nach neuen Kurszielen.
Kein einziger Börsianer, mit dem ich in den vergangenen Wochen geredet oder gemailt habe, hat daran gezweifelt: 6100 Punkte – an dieser Marke werde sich der DAX diesmal noch die Zähne ausbeißen. Optimisten erwarteten lediglich einen kleinen Rücksetzer auf 5700 bis 5800 Zähler, Pessimisten dagegen einen Rückschlag in die Nähe von 5300 Punkten. Ein derartiges Szenario lag in der Tat auf der Hand: Nach einer 700-Punkte-Rallye binnen nur sechs Wochen wäre eigentlich eine Atempause angesagt gewesen. Entsprechend haben sich auch viele Anleger positioniert, sprich kurzfristige Positionen abgebaut und an den Derivatemärkten fleißig Puts gekauft.
Als dann aber das Hilfspaket für Griechenland so gut balanciert ausfiel, dass sowohl eine Pleite Hellas vorerst vom Tisch ist, gleichzeitig aber auch dank Angela Merkel die Schleusen für Defizitsünder nicht geöffnet wurden, gelang der Sprung über die chartechnische Hürde, unterstützt von weltweit guten Konjunktur- und Unternehmensdaten. Und wie das immer so ist, wenn die Spekulatnten auf dem falschen Fuß erwischt werden: Die auf Baisse eingestellten Anleger beschleunigten die Rallye zusätzlich, weil sie ihre Short-Positionen eindecken mussten und damit die Nachfrage und die Kurse weiter in die Höhe trieben.
Ist nun also das Tor weit offen für eine ungebremste Fortsetzung der Erholung, wie viele annehmen? Ich glaube zwar auch, dass der Sprung über die 6100er-Hürde samt den guten Gründen dafür die freundliche Tendenz noch eine Weile helfen wird. Aber ich nehme nicht an, dass die nun gängige Prognose eines Durchmarsches auf 6400 bis 6600 Zähler so schnell eintrifft. Der Markt ist nun einmal überkauft, und die Skeptiker werden jede Chance nutzen, um DAX und Co. immer wieder ein paar 100 Punkte nach unten zu schicken. Deshalb heißt die Devise jetzt: Nicht den steigenden Kursen nachlaufen, sondern in großem Stil nur nach Rücksetzern kaufen. Denn der Kursaufschwung ist dank Konjunkturerholung, Zinstief, Liquiditätsschwemme und steigenden Unternehmensgewinnen in vollem Gang – aber wer zu schnell rennt, braucht nun einmal öfters Verschnaufpausen.
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