Nach dem Posten-Geschachere der EU-Regierungschefs diskutiert Deutschland vor allem über die Qualifikation Ursula von der Leyens – dabei ist der Grund, warum eine Deutsche EU-Kommissionspräsidentin werden „darf“ viel bedeutsamer: Frankreich hat sich damit den weitaus wichtigeren Posten des EZB-Chefs gesichert. Mit Christine Lagarde, so ist zu befürchten, werden die Sparer noch eine halbe Ewigkeit auf höhere Zinsen warten und eventuell sogar Negativzinsen bei Bankeinlagen verkraften müssen.
Die ehemalige IWF-Chefin zeichnet sich dadurch aus, dass sie, anders als ihre Vorgänger, nie eine nationale Notenbank geleitet hat und auch keinerlei Bankerfahrung vorweisen kann. Sie ist Juristin, der schon fachliche Skepsis entgegenschlug, als sie, die Ex-Finanzministerin Frankreichs, überraschend zur Nachfolgerin ihres skandalgeplagten Landsmanns Dominique Strauss-Kahn an der Spitze des Währungsfonds bestimmt wurde. Als IWF-Chefin hat sie weltweit immer und immer wieder eine Politik der extremen Niedrigzinsen gefordert, vor allem von der EZB. Negativzinsen bezeichnete sie als „insgesamt positiv“ für die Wirtschaft.
Und die umstrittene indirekte Finanzierung von Staatsschulden, die ihr Vorgänger Mario Draghi mit seinem Anleihekaufprogramm bis zum Exzess getrieben hat, wird Frau Lagarde wohl ohne Wimpernzucken weiterführen, oder sogar ausbauen. Darauf deuten einige ihrer früheren Aussagen hin. Dabei finanziert die EZB jetzt schon schon über ein Viertel aller deutscher Staatsschulden und große Teile der öffentlichen Schulden der anderen Euro-Länder. Vor allem Italien mit seinen hohen Staatsschulden und Frankreich mit seiner fast regelmäßig überhöhten Neuverschuldung hätten ohne die EZB-Käufe, die inzwischen 2,2 Billionen Euro betragen, erhebliche Probleme. Bis jetzt darf die EZB maximal ein Drittel der Staatsanleihen eines Landes halten. Draghi tritt jedoch für eine Anhebung auf 50% ein – und Frau Lagarde scheint das uneingeschränkt zu unterstützen. Auch das ist ein Instrument für noch lange tiefe, bzw. negative Zinsen
Mit der Französin als oberster Notenbankerin haben Frankreich und die anderen schuldengeplagten Euro-Staaten ihren Alptraum vermieden: Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Er war lange Zeit einer der Favoriten als Draghis Nachfolger. Da er aber ein ausgemachter Gegner einer zu langen Nullzinspolitik und einer zu ausgedehnten Politik der Anleihenkäufe ist, hat vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron alles daran gesetzt, um Weidmann zu verhindern. Nun bekommt Macron mit Christine Lagarde eine Politikerin und keine Notenbankerin als künftige EZB-Chefin – und für diesen Coup nimmt er eine Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin gerne in Kauf.
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