Geht die lange Leidenszeit der Bankaktien allmählich zu Ende? Wird 2012 gar ein Jahr der Bankaktien? Die Chancen dafür haben sich in den letzten Tagen jedenfalls deutlich verbessert.
Vor lauter Banken-Stresstest und EU-Gipfel sind ein paar Entscheidungen, die für Europas Geldinstitute unerwartet kamen und dazu sehr positiv ausgefallen sind, beinahe untergegangen. Dabei könnten sie maßgeblich zur Bankenstabilisierung und zur Linderung der Staatschuldenkrise beitragen. Es sind vor allem drei Entwicklungen, die den arg gebeutelten Banken Luft verschaffen können: Zwei davon stammen von der EZB, die zusätzlich zur Leitzinssenkung erhebliche Entlastungen für die Finanzhäuser beschlossen hat.
Erstens können sich die Banken jetzt für bis zu drei Jahre Geld bei der EZB borgen – bislang war dies nur für maximal ein Jahr möglich. Das erleichtert die Liquiditätsplanung und -beschaffung erheblich, zumal nun auch Wertpapiere geringerer Bonität als Sicherheit hinterlegt werden können. Zweitens, und das ist noch bedeutsamer, hat die EZB den Mindestreservesatz von zwei auf ein Prozent glatt halbiert. Im Oktober mussten die Banken in Euroland noch etwa 207 Milliarden Euro bei ihrer Zentralbank hinterlegen, deutsche Geldinstitute mit knapp 52 Milliarden Euro ziemlich genau ein Viertel davon. Mit anderen Worten: Europas Finanzinstitute haben nun 100 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Das kommt sicherlich auch den Bankgewinnen zugute. Denn die Institute können mit dem Betrag höhere Zinseinnahmen erzielen als das mit dem einen Prozent der Fall ist, das ihnen die Zentralbank gutschreibt. Diese beiden Entscheidungen plus die Leitzinssenkung plus die bessere Versorgung mit Dollar-Liquidität erleichtern es den Banken in den nächsten Jahren, die Gewinne zu erzielen, die sie brauchen, um die Eigenkapitalquote zunächst anzuheben und dann zumindest stabil hoch zu halten.
Der dritte Punkt betrifft die Politik. Auf dem EU-Gipfel ist anscheinend die geplante weit reichende Beteiligung der Privatanleger an künftigen Umschuldungen europäischer Staaten vom Tisch geräumt worden. Banken müssen dann beim Kauf von Staatsanleihen nur noch im Extremfall den Verlust eines Teils des Kapitals einkalkulieren. Das könnte am Bondmarkt die Kaufbremsen der Banken, Versicherer und anderen Großanleger etwas lösen und damit die Chance eröffnen, dass die Kurse der Anleihen aus den Problemländern wieder anziehen. Und das würde natürlich den Wertberichtigungsbedarf der Banken reduzieren.
EZB und Politik haben also vieles in die Wege geleitet, um den Banken über die schwierige Zeit bis zur Erfüllung der neuen Eigenkapitalvorschriften Mitte 2012 zu helfen. Der Großteil dieser Maßnahmen ist in den Kursen aber noch nicht enthalten. Deshalb haben sich die Aussichten der Banktitel, die in den letzten zwei Jahren im Schnitt rund zwei Drittel an Wert verloren haben, trotz anhaltender Schuldenkrise merklich verbessert, vor allem langfristig. Kurzfristig allerdings dürften noch die übliche Jahresendoperationen und wahrscheinliche Aktienverkäufe zur Risikoreduzierung und damit zur Verringerung des Eigenkapitalbedarfs für hektische Schwankungen sorgen. Die könnten gute Chancen für einen Einstieg in Bankaktien bieten.
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Es sind halt die 2 Seiten der Medaille zu beachten:
Erste Seite, was die Banken anbelangt: Fit für Basel III? – wohl nicht wirklich, insbesondere Stichwort Eigenkapitalquote. Bereinigung des Portfolios, Umschichtung und riskante oder abschreibungsfähige Papiere raus – aber, was wird dem Kunden geboten, welche Produkte werden künftig angeboten? Es gab zu viele Fondsprodukte, darunter „Zombie-Fonds.“ Unter dem Begriff „Zombie-Fonds“ versteht man Produkte, die die Anbieter trotz fehlender Aussicht auf Rendite und entsprechende Erfolgsbeteiligung aufrecht erhalten, um weiterhin Managementgebühren zu kassieren.
Zweite Seite der Medaille: Für das Jahr 2012 kündigt sich eine neue Welle von Kreditverkäufen an. Das Transaktionsvolumen dürfte dabei voraussichtlich weit über den Werten aus den Boom-Jahren vor der Krise liegen. Grund für den erwarteten Boom: Angesichts gestiegener Eigenkapitalanforderungen suchen die Banken nach Wegen, ihre Bilanzsummen zu reduzieren – und werden dabei zunehmend auch den Verkauf notleidender Kredite sowie von non-core Krediten (Kreditportfolios, die nicht mehr zum Kerngeschäft zählen) ins Auge fassen. Und dann wird schief und schräg für den Kunden, Kreditnehmer und Verbraucher, wenn er / sie plötzlich Post von einer anderen Bank bekommt, die diese Kredite gleich bündelweise aufgekauft hat und mit neuen Forderungen und Geschäftsbedingungen an die Kreditnehmer herantritt. Dann kommt das böse Erwachen für die Verbraucher. So schaut`s aus.
Sandro Valecchi, 10555 Berlin