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Freitagsfrage: Warum ist die kalte Progression so ein heißes Thema?

Wenn die FDP nach einer Steuersenkung ruft, ist der Aufschrei der anderen Parteien und der Medien  reflexartig immer riesengroß. So auch diesmal, als die Liberalen ihren widerwilligen Koalitionspartner dazu drängten, eine Milderung der kalten Progression ab 2013 ins Auge zu fassen. Natürlich geschieht dies voll mit Blickrichtung Bundestagswahl. Trotzdem ist das Vorhaben sinnvoller, als es Kritiker wahrhaben wollen.

Da in Deutschland die Einkommensteuer progressiv gestaltet ist, der prozentuale Steuersatz also mit steigendem Einkommen zunimmt, frißt der Fiskus von jeder Lohn- und Gehaltserhöhung mehr weg als ihm eigentlich zusteht. Diese so genannte kalte Progression trifft alle, auf Grund des geringen Abstands zum steuerfreien Grundfreibetrag Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen jedoch am stärksten. Vor allem in Zeiten steigender Inflationsraten ist diese „schleichende Steuererhöhung“ ärgerlich. Selbst wenn die Gehaltssteigerung die Teuerung lediglich ausgleicht, verringert sich die Kaufkraft. So steigt bei einem Ledigen mit 20 000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen bei 2,5 Prozent Gehaltszuwachs die Steuerbelastung doppelt so stark, nämlich um satte 4,99 Prozent, beim Spitzenverdiener mit 100 000 Euro dagegen „nur“ um 3,1 Prozent. Das summiert sich im Lauf der Jahre. Wenn der 20 000-Euro-Einkommensbezieher dreimal je 2,5 Prozent Gehaltsaufschlag erhält, insgesamt also rund 7.5 Prozent, muss er bereits 15,15 Prozent mehr Steuern abdrücken. Beim Spitzenverdiener klettert die Belastung immerhin auch noch um 9,31 Prozent. Der Staat ist also der klare Gewinner der Inflation.

Sogar unser Finanzminister Wolfgang Schäuble, ansonsten ein Gegner jeder Steuerermäßigung, hat jüngst eingeräumt, dass die kalte Progression für „unerwünschte Steuermehreinnahmen“ sorge. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben deshalb bereits in ihren Frühjahrsgutachten die Abschaffung der kalten Progression empfohlen und der neue Bundesbankpräsident Jens Weidmann findet so einen Schritt immerhin „erwägenswert“. Erstaunlich, dass trotz der offensichtlichen Ungerechtigkeit der kalten Progression der Widerstand in der Politik und den Medien so groß ist. Hätten die Grünen den Vorschlag gebracht, fänden das viele vermutlich toll und längst überfällig.

Einige andere Länder – zum Beispiel die Schweiz – begegnen der ungerechtfertigten Bereicherung des Staates durch die Inflation mit einer automatischen Anpassung des Steuertarifs an die Teuerung. Diese elegante Lösung lässt sich in Deutschland vorerst aber wohl kaum durchführen. Deshalb ist als Ausgleich in kurzen Abständen eine Steuersenkung durchaus sinnvoll, um die Folgen abzufedern. Zumal die von der FDP vorgeschlagene Milderung der kalten Progression genau genommen gar keine Steuersenkung ist, sondern nur die Vermeidung einer rein inflationsbedingten Steuererhöhung.

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Politik
1Kommentar
  1. Die automatische Anpassung des Tarifs (dies wäre auch bei den Freibeträgen und -grenzen erforderlich) wird nicht kommen, da dann keine öffentlichkeitswirksamen Steuersenkungen propagiert und vorgenommen werden könnten – so einfach ist Politik!

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