Wenn heute nach Börsenschluß der Aluriese Alcoa traditionell die Berichtssaison fürs zweite Quartal eröffnet, dürfte die Aufmerksamkeit der Anleger nicht ganz so groß sein wie sonst. Die Ergebnisse sowohl in den USA als auch in Deutschland dürften prima ausfallen – aber das ist keine Überraschung, und vor allem Vergangenheit. Die schwachen amerikanischen Juni-Arbeitsmarktzahlen und die neu aufgeflammte Schuldenproblematik lenken die Aufmerksamkeit vielmehr verstärkt zu Konjunktur und Staatshaushalten. Sie entscheiden die künftige Richtung an den Börsen.
Gerade als die Zuversicht für die US-Konjunktur nach einigen viel versprechenden Wirtschaftsdaten – insbesondere dem steigenden Einkaufsmanagerindex – zunahm und die Aktienmärkte beflügelte, erfolgte am Freitag der Rückschlag durch die unerwartet schlechten Arbeitsmarktzahlen. Und schon ist die Diskussion wieder eröffnet, ob die USA nicht in eine neue Rezession abrutschen , also den so sehr gefürchteten Double Dip erleiden werden.
Ich sehe da nicht so schwarz für die US-Wirtschaft. Erstens, weil die Arbeitslosendaten zwar dämpfen, aber ein nachlaufender Indikator sind, also erst mit Verzögerung auf eine Veränderung der konjunkturellen Großwetterlage reagieren. Zweitens, weil die meisten anderen, stärker zukunftsgerichteten Wirtschaftsdaten auf eine leichte Wachstumsbeschleunigung hindeuten und drittens, weil sich wichtige Rahmendaten verbessert haben: So sind die Benzin- und sonstigen Energiepreise deutlich gefallen. Sie verschaffen Verbrauchern und Firmen ebenso mehr Spielraum wie die wieder gesunkenen Zinsen vor allem für Hypothekenkredite. Und schließlich laufen die monatelang stockenden Zulieferungen wichtiger Teile aus Japan wieder reibungslos. Das sorgt für einen Nachholeffekt in der Industrie.
In dieser Phase wäre es natürlich konstruktiv, wenn die Unternehmen in dieser Berichtssaison nicht nur gute Quartalszahlen vermelden, sondern auch zuversichtlich ins zweite Halbjahr blicken würden. Deshalb wird das Augenmerk der Anleger vor allem auf die Prognosen der Firmenbosse gerichtet sein. Denn aus der Fülle ihrer Aussagen lassen sich gute Rückschlüsse auf die weitere Konjunkturentwicklung ziehen. Die nächsten Wochen werden deshalb spannend sein – auch, weil sich US-Präsident Obama und die Republikaner immer noch nicht auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze geeinigt haben. Das schürt Unsicherheit, weil niemand weiß, welche finanziellen Folgen letztlich auf ihn zukommen. Und gerade in dieser instabilen Zeit ist Unsicherheit das größte Gift für die Konjunktur. Da auch von Europas Schuldenfront neue, diesmal italienische Unwetter aufziehen, sieht sich die Konjunktur in den USA wie auch in allen anderen Ländern verstärktem Gegenwind gegenüber. Bisher haben die Börsen das alles erstaunlich gut weggesteckt – aber auf Dauer werden sie den Schulden-Turbulenzen und konjunkturellen Unsicherheiten nicht ganz ausweichen können.
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