Unser Blog zu Geldanlage, Börse und ETF

Home » Unser Blog zu Geldanlage, Börse und ETF » Allgemein » Diskussion: Brauchen wir die Finanztransaktionssteuer?

Diskussion: Brauchen wir die Finanztransaktionssteuer?

Vor ein paar Tagen hat ein Post zur Finanztransaktionssteuer auf diesem blog in Internetforen eine heftige Diskussionen ausgelöst – aber nicht nur im Netz, sondern auch im Team von finanzjournalisten.de. Fast immer finden wir eine gemeinsame Linie, diesmal aber nicht. Zwei von uns halten die Transaktionssteuer für sinnvoll, zwei sind dagegen. Hier die Argumente von jedem von uns – und wir hoffen, dass sie wieder für rege Diskussionen sorgen werden:

Für mich ist diese Steuer überfällig
von Gisela Baur
Wie lange wollen wir eigentlich noch zusehen, wie unsere Wirtschaft mehr und mehr in die Bredouille gerät? Dass die Finanzmärkte dabei ein zentrale Rolle spielen, wird wohl niemand bestreiten. Ich wünsche mir daher ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Börsenpflicht für alle Wertpapiere, Verbot oder zumindest Genehmigungspflicht bestimmter Geschäfte, bessere Aufsicht und vieles mehr. Plus ein Entschleunigungsinstrument wie die Finanztransaktionssteuer es sein kann.

Ich bin ein ausgesprochener Fan der Marktwirtschaft, weil sie den meisten Wohlstand für alle schafft. Und jeder darf meinetwegen steinreich werden, wenn er ein geniales Produkt erfindet oder etwas effizienter als andere liefern oder auch nur besser vermarkten kann – solange es der Gemeinschaft zumindest nicht schadet, im besten Fall sogar nützt. Die Finanzwirtschaft ist da nicht ausgeschlossen: Viele ihrer Aktivitäten machen so einiges in der Realwirtschaft erst möglich – für Privatleute und für die Unternehmen.

Doch das ist für die Gesellschaft nicht wichtiger als viele andere Wirtschaftbereiche. Es gibt für mich also keinerlei Rechtfertigung dafür, dass Finanzgeschäfte steuerlich bevorzugt werden sollte. Und jeder muss jetzt an der Bewältigung der Krise mitarbeiten, sprich: mitzahlen.

Das Argument, dass ein Alleingang in Europa eine massive Abwanderung nach sich ziehen würde, ist gewichtig. Ähnlich haben die deutschen Industrieunternehmen aber immer gegen Steuern argumentiert. „Woanders geht es billiger, dann gehen wir halt“, so das Credo. Doch passiert ist folgendes: Deutschland ist heute einer der wettbewerbsfähigsten Industriestandorte überhaupt. Kosten und Steuern sind nämlich immer nur ein Argument. Die anderen heißen: kompetente Arbeitskräfte, Nähe zum Markt, Infrastruktur, Rechtssicherheit und so weiter. Ich habe Vertrauen in die Kraft der Finanzindustrie, dass sie mit einer gemäßigten Steuer klar kommt.

Am Ende fällt es auf die Bürger zurück

von Antonie Klotz
Eine Finanzmarkttransaktionssteuer wird nicht das bewirken, was die Politiker sich wünschen. Sie rechnen sich schön, was ihnen das im Staatssäckel bringt und wollen vor allem nach außen hin zeigen, dass sie aktiv werden, um die Spekulationsgeschäfte einzudämmen. Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen. Aus Erfahrung wissen wir, dass es immer Schlupflöcher gibt. 

Nicht alle Staaten beteiligen sich und wenn es sein muß, verlagern die Banken ihren Hauptsitz ins Ausland oder gründen Tochtergesellschaften mit Minderheitsbeteiligungen, die sie nicht konsolidieren müssen, um am Ende die Steuern zu umgehen. Die Briten haben ohnehin schon signalisiert, dass sie die Steuer ablehnen. Die Abwanderungsgefahr und damit das Risiko am Ende mit einem noch größerem Loch im Staatsäckel dazustehen, ist also groß. Kurzum: Diese Banken würden dann hier gar keine Steuern mehr bezahlen. Daher würde die Idee nur funktionieren, wenn alle Staaten weltweit diese Steuer einführen würden. 

Obendrein schaffen die Behörden mit einer neuen Steuer noch mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand. Und wer bezahlt das alles? Natürlich wir alle. Erstattet der Staat den Banken ihren Verwaltungsaufwand, fallen die Kosten auf die Bürger zurück. Zahlen es hingegen die Banken, muss das auch über die Gebührenschiene wieder reingeholt werden. Denn die Aktionäre wollen deshalb nicht weniger verdienen.

Populistische Symbolpolitik statt Krisenlösung

von Hans G. Linder
Ich bin zwar 100prozentig für eine Transaktionssteuer, aber nur, wenn sie OECD-weit, mindestens aber EU-weit eingeführt wird. Ich bin jedoch 100prozentig gegen die angedachte isolierte Euroland-Lösung. Vor allem jetzt, da die Staatsschuldenkrise die Banken mit in den Abgrund zu ziehen droht. In dieser Lage eine Finanztransaktionssteuer nur für den Euroraum zu beschließen, der zurzeit das mit Abstand schwächste Glied der Weltwirtschaft ist,  halte ich zum einen für populistische Symbolpolitik, mit der die Politik den tiefen Bankenhass vieler Menschen „bedient“. Zum anderen ist es ein Ablenkungsmanöver, mit dem die in der Krise federführenden Regierungen Frankreichs und Deutschlands den Schwarzen Peter für den Finanzmarktturbulenzen an die Finanzinstitute weiterreichen wollen. Nachdem Paris und Berlin in den fast genau zwei Jahren seit der Aufdeckung der griechischen Schuldenbetrügereien die Krise quasi mit jeder Maßnahme (und mehr noch mit jeder ausbleibenden Maßnahme) verschlimmert haben, kämpfen viele Banken aufgrund ihrer enormen Beständen an Staatsanleihen der PIIGS-Staaten und Frankreichs ums Überleben. 


In so einer Situation ist ein Alleingang Eurolands bei der Transaktionssteuer tödlich – weil die Unsicherheit über die Auswirkungen auf die Euroland-Banken und die hiesigen Finanzplätze den Abzug internationaler Gelder beschleunigen und die Ertragskraft der Banken weiter schwächen würde. Sowohl die Euroland-Schuldenstaaten als auch die Euroland-Banken aber sind so stark wie nie zuvor auf das Vertrauen der internationalen Investoren angewiesen. Denn wer soll die Hunderte von Milliarden Euro für neue Staatsanleihen zeichnen, und wer gibt Banken die Hunderte von Milliarden Euro an frischem Eigenkapital, die sie fürs Überleben brauchen, wenn die Regierungen nicht nur in der Frage der Transaktionssteuer die Finanzwirtschaft als Feinde auffassen. Deshalb sollten wir erst die Eurokrise lösen – und uns dann erst ans Werk machen, eine Transaktionssteuer mit möglichst vielen Teilnehmern zu planen, die in ein Geflecht zusätzlicher Maßnahmen zur Eindämmung überbordender Spekulation eingebunden werden sollte.




Einer muss anfangen – aber Transaktionssteuer ist nur ein Anfang
von Brigitte Watermann
In der Theorie gebe ich Hans Linder recht – natürlich wäre es ökonomisch sinnvoll, wenn mindestens OECD-weit eine Transaktionssteuer kommt. Aber auf eine Einigung auf dieser Ebene können wir vermutlich bis zum Sanktnimmerleinstag warten. Daher geht kein Weg daran vorbei, eine Transaktionssteuer eben im kleineren Rahmen einzuführen, einer muss endlich den Anfang wagen. Aber das reicht nicht. Die Politik muss endlich begreifen, dass wir mit einem Bein schon am Abgrund stehen, wenn wir nicht sogar schon einen Schritt weiter sind….

Der Euro, aber auch das internationale Finanzsystem leiden unter einer gigantischen Glaubwürdigkeitskrise, und die zögerliche Haltung insbesondere der EU-Politiker macht es nur noch schlimmer. Wenn sie jetzt immerhin mal in einem Punkt wie der Transaktionssteuer Einigkeit und Entschlossenheit zeigen würden, wäre vielleicht einmal ein Anfang gemacht, Vertrauen zurückzugewinnen. Doch das reicht nicht, es muss weitergehen, und zwar schnell.

Wir brauchen bald eine Entscheidung, ob wir links oder rechts abbiegen wollen, und wir müssen bereit sein, die Folgen zu tragen – sprich: Wollen wir den Euro mit den Mitgliedern, die er jetzt hat, oder eben nicht. Falls die Antwort ja lautet, dann müssen wir aber auch dazu stehen, dass Griechenland konsequent geholfen werden muss – nicht nur mit einseitigem Kaputtsparen des Landes, sondern auch mit einer klaren Perspektive für mittelfristig mehr Wachstum. Die zähen Diskussionen, ob man jetzt doch noch einmal hilft oder lieber doch nicht, müssen endlich aufhören, das schadet mehr, als das es nutzt. Vor allem führt das dazu, dass die Entscheidung immer weiter vertagt wird. Doch je länger das Hin und Her dauert, desto teurer und katastrophaler wird es werden, wenn es tatsächlich zum Worst Case kommt, weil die Politik sich von den Märkten vor sich her treiben lässt. Daher lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!

Weitere Beiträge
Schlagwörter:
Politik
0 Kommentare

Themen

Archiv

Autoren

Blog abonnieren

Unsere Bücher

Alle Bücher

Unser Team