Beim Geld hört die Freundschaft auf. Deshalb hat Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker mit seinem Vorschlag, die Euroländer sollten gemeinsame Staatsanleihen – so genannte E-Bonds – ausgeben, für einen handfesten Streit und geballte Aggressionen innerhalb der EU gesorgt. Die Fronten prallen so hart wie selten zuvor aufeinander. Was aber macht den Juncker-Plan so brisant?
Kaum hatte Juncker seinen Vorschlag veröffentlicht, da lehnten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ihn auch schon ab. Das reizte Juncker so sehr, dass er beleidigend wurde:„Deutschland denkt da ein bisschen simpel“, meinte er, und es sei „uneuropäisch, Tabuzonen zu errichten“. Der Luxemburger hatte vorgeschlagen, die einzelnen Mitgliedsländer sollten einen Teil ihre Schulden nicht mehr direkt mit eigenen Staatsanleihen – zum Beispiel Deutschland mit Bundesanleihen – finanzieren, sondern mit Bonds, hinter denen alle Euroländer gemeinsam stehen. Das würde seiner Meinung nach die Schuldenkrise beenden und den Euro stärken.
Wahrscheinlich würden derartige E-Bonds (sie werden häufig auch Eurobonds genannt, obwohl damit bisher ganz andere Anleihen bezeichnet wurden) tatsächlich die Krise mildern. Schuldenkrösusse wie Irland, Griechenland, Portugal, Spanien, Italien oder Belgien bräuchten dann nicht mehr mit horrenden Zinsen um Anleger für ihre Staatsanleihen buhlen, sondern könnten sich zu viel niedrigeren Sätzen unter dem Dach der gemeinsamen E-Bonds verschulden. Denn, so die Rechnung, eine Mischung aus schlechten Schuldnern und solideren Ländern wie Deutschland, Niederlande, Österreich oder Frankreich ergibt einen Durchschnitt mit so ausreichender Bonität, dass die Bonds zu relativ niedrigen Zinsen abgesetzt werden könnten. Ja, mehr noch: Nach Junckers Plan könnten Anleger sogar früher aufgelegte Bonds der Problemstaaten gegen Gemeinschaftsanleihen umtauschen – allerdings mit einem Abschlag.
Wo es Gewinner gibt, da sind aber leider Verlierer nicht weit. Die wären Deutschland und andere Schuldner mit niedrigeren Defiziten. Bisher wurden ihnen die Anleihen von den Anlegern aus der Hand gerissen, und das zu extrem niedrigen Zinsen. Diese Zinsen würden für Gemeinschaftsanleihen massiv steigen und sich irgendwo in der Mitte zwischen den Sätzen einpendeln, die für Bundesaleihen auf der einen und Bonds der PIIGS-Staaten auf der anderen Seite gelten. Experten gehen davon aus, dass die Renditen um mindestens einen Prozentpunkt höher lägen als für Bundesanleihen, manche sprechen von zwei Prozentpunkten.
Die „Club Med-Staaten“ könnten dadurch zwar massiv Zinsausgaben sparen, Deutschland + Co dagegen müssten viel mehr bezahlen. Dabei geht es um Wahnsinns-Summen: Allein 2011 müssen alle Euroland-Mitglieder zusammen fast 1,2 Billionen Euro an fälligen Staatsanleihen refinanzieren, auf die fünf PIIGs-Länder entfällt davon eine knappe halbe Billion. Deutschland muss – größenbedingt – mit rund 270 Milliarden Euro zwar am meisten von allen Ländern aufnehmen – aber gemessen am BIP ist das deutlich weniger als bei den PIIGS. Falls der Zinssatz für E-Bonds „nur“ um einen Prozentpunkt über der für Bundesanleihen läge, würden das für Schäuble vom kommenden Jahr an 2,7 Milliarden Euro mehr Zinsbelastung bedeuten – und da jedes Jahr weitere Schulden refinanziert werden müssen, würde sich der Zusatzbetrag immer weiter hochschaukeln.
Damit ist auch klar, warum Deutschland so gegen die E-Bonds ist: Damit würde ein weiteres Tor geöffnet, um Staaten mit moderater Verschuldung für die Sünden der Defizitländer zahlen zu lassen. Hinzu kommt, dass mit gemeinsamen Anleihen der Zwang für Defizitsünder abnehmen würde, den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Bei – sagen wir 4,5 Prozent Zinsen – lassen sich nun einmal viel höhere Kredite schultern als bei sieben oder acht Prozent. Kritiker verweisen zudem auf Parallelen zu den berüchtigten Subprime-Krediten in den USA, die den Finanzcrash 2008 ausgelöst hatten. Diese Darlehen bündelten einige Baukredite mit guter Bonität mit vielen anderen mit schlechter Kreditwürdigkeit. Das ging lange Zeit gut – aber das Ende war schrecklich.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu E-Bonds kommen wird, ist jedoch sehr gering. In Deutschland sind die Regierungsparteien und die SPD strikt dagegen, aber es gibt auch Befürworter wie den gewerkschaftsnahen Wirtschaftsweisen Bofinger und den EU-Politiker Giegold von den Grünen. Auch in den meisten anderen Ländern der EU-Nordschiene ist die Abneigung verständlicherweise groß. Sie würden wohl E-Bonds nur akzeptieren, wenn es gar keinen anderen Ausweg aus der europäischen Schuldenkrise mehr gäbe.
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