Die Börsenfusion wird auch am Zertifikatemarkt einschneidende Veränderungen bringen. Im besten Fall können die Emittenten ihre Produkte zu den im Vergleich zum Ausland günstigen Konditionen der Deutschen Börse weiter auf der Plattform Scoach listen, haben damit aber zugleich einen Zugang zu Nyse Euronext und somit zu mehr Kunden. Immerhin ist der Dax auch an der Nyse Euronext gefragt: 2010 rangierte der deutsche Leitindex am dortigen Zertifikatemarkt an fünfter Stelle der meistgehandelten Basiswerte.Doch so einfach wird es mit dem Zugang nicht.
Noch ist nicht bekannt, welches Handelssystem die fusionierte Börse einsetzen wird und ob dieses für den deutschen Derivatemarkt tauglich sein wird. Ziel der neuen Börse dürfte ein schnelles hochleistungsfähiges Handelssystem sein, das auf die professionellen Marktteilnehmer und die Algotrader zugeschnitten ist. An der Stelle wird es aber problematisch. Im Algotrading geht es um Geschwindigkeit, um Ausführungen in Milli- und Nanosekunden. Je schneller desto besser. Im Geschäft mit strukturierten Produkten hingegen dominiert die Masse. Ausführungsgeschwindigkeit ist zwar auch ein Thema, aber ein nachrangiges. Hier geht es vornehmlich um einen stabilen Handel. Denn die Masse von rund 650.000 Derivate-Emissionen muss auch in hektischen Marktphasen bewältigt werden.
Apropos Masse: 650.000 Derivate-Emissionen auf dem Parkett dürften aus der Sicht eines ausländischen Marktbeobachters abschreckend wirken. Die Amerikaner listen strukturierte Papiere meist wegen des hohen administrativen Aufwands und aus Kostengründen nicht. Sie handeln am Parkett vorwiegend Aktien. Das Geschäft mit Optionsscheinen, wie wir es kennen, wandert dort an die Terminbörsen. Haupthandelsplätze für die an der NYSE/Euronext gelisteten strukturierten Produkte sind die Niederlanden und in Frankreich. Damit ist den Fusionspartnern das Geschäft nicht ganz fremd, auch wenn die Märkte weitaus kleiner sind als der deutsche.
In den kommenden Monaten wird es zum Thema Zertifikatehandel viel Diskussionsbedarf geben. Zwar sprach Deutsche-Börse-Finanzvorstand Gregor Pottmeyer bei der Fusions-Pressekonferenz von „Cross-Selling-Chancen“ für strukturierte Produkte. Doch weiter taucht die Scoach im Fusionsszenario nicht auf und ist auch nicht als Label unter den führenden Marken der neuen Großbörse in der Fusionspräsentation aufgeführt. Das muss noch nichts heißen. Doch wenn die Deutsche Börse in den Fusionsgesprächen nicht die Interessen der Emittenten vertritt, die noch mehr Produkte auf den Markt bringen wollen, dürften sich diese von der neuen Börse abwenden. Schafft es der neue Börsenriese dagegen, die in Aussicht gestellten Absatz-Chancen zu bieten, wäre das ein großer Fortschritt in Richtung eines europäischen Markts.
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