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Siemens: Wieviel Moral braucht ein Konzern?

Siemens-Chef Joe Kaeser gilt als Star unter den deutschen Fimenbossen. Doch jetzt entscheidet er sich für ein umstrittenes Kohleprojekt in Australien – ausgerechnet während der Kontinent brennt und über ein Umdenken im Umgang mit dem fossilen Brennstoff nachdenkt. Fridays for Future und andere laufen Sturm. Schlechter könnte es für das Image von Siemens und Kaeser nicht laufen. Was treibt ihn an?

Kaeser begründet seine Entscheidung mit dem Problem, das alle Firmenchefs haben: Sie fühlen sich der Gemeinschaft verpflichtet, vielleicht auch der Umwelt, aber sie sind eben auch Arbeitgeber, Angestellte ihrer Eigentümer, Kunden anderer Firmen und nicht zuletzt Vertragspartner. Letzteres hat angeblich erheblich dazu beigetragen, dasss Siemens an seinem Beitrag für ein höchst umstrittenens Kohleprojekt in Australien festhält. Vertragstreue und die Verantwortung für das Wohl des Unternehmens und aller Arbeitnehmer will man so zeigen. So zumindest kann man den Brief verstehen, den Joe Kaeser zu dem Thema veröffentlicht hat.

Das wäre tatsächlich vielleicht sogar verständlich. Aber: Der Deal ist wirtschaftlich für Siemens kaum der Rede wert: 19 Millionen Euro stehen im Feuer. Bei einem Jahresumsatz von gut 86 Milliarden Euro im vergangenen Jahr bedeutet das ein dritte Nachkommastelle – maximal. Ist es also „die Kohle“ die Kaeser antreibt? Offensichtlich geht es wohl um Vertragstreue – allerdings gegenüber einem ganz speziellen Kunden. Das neue Kohlerevier in Australien entsteht unter der Regie eines schwerreichen Inders, Gautam Adani, und ganz offensichtlich wollte es sich der deutsche Konzern vor allem mit diesem Vertragspartner nicht verscherzen, der noch viele neue Aufträge verspricht.

Das ist wirtschaftlich gedacht, hat aber für Kaeser einen ganz schweren Haken: Er hat sich lange als Vordenker einer neuen Rolle der Industrie präsentiert. Unternehmen sollten seiner Meinung nach der Gesellschaft dienen. Das war der große Abschied vom Shareholder Value, bei dem vor allem der Wertgewinn für die Eigentümer im Vordergrund stand.

Ein Ethikausschuss sollte dafür sorgen, dass Aufträge aussortiert werden, wenn sie der Gesellschaft Schaden zufügen. Die Verpflichtung für das Kohleprojekt passierten diesen Ausschuss aber. Siemens unterzeichnete am 10. Dezember 2019. Da waren die Buschbrände bereits seit Monaten in Gang.

Die schönen Worte und Ethikausschüsse stehen jetzt also als reine Augenwischerei da – letztendlich zählt eben doch das wirtschaftliche Wohl des Unternehmens. Ein Imageschaden, den Siemens wahrscheinlich auf Dauer verkraften wird. Kaeser trifft das schon härter. Aber vielleicht steckt darin auch eine Erkenntnis, die wir uns alle wieder einmal vergegenwärtigen sollten: Gemeinwohl, Umverteilung und auch Umweltschutz gehören in erster Linie eben von der Politik gestaltet. Es braucht Regeln und klare Vorgaben. Unternehmen können da nicht konsistent sein. Die sind nämlich in letzer Konsequenz zum wirtschaftlichen Erfolg verdammt.

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1Kommentar
  1. In Deutschland sterben jährlich tausende an Verkehrsunfällen. Will man deshalb Autobauer verurteilen? Zehntausende sterben an den Folgen von Alkoholkonsum und -sucht. Will man deshalb vor dem Gesundheitsministerium demonstrieren? In Deutschland wird kräftig Braunkohle abgebaut und verfeuert. Wer verdient daran?

    Wenn es einen Markt gibt, dann wird sich dafür auch ein Anbieter finden. Dies gilt für fossile Brennstoffe ebenso wie für harte Drogen. Australien macht ein gutes Geschäft damit, Kohle vor allem nach China zu exportieren. Wer ist "böser", der Anbieter oder der Nachfrager?

    Siemens verdient bei diesem Auftrag Geld mit einer Signalanlage für eine Bahnstrecke. Ist dies nun verwerflich? Siemens macht auch Geschäfte mit Rüstung und stellt selbst Kraftwerksteile her, die für die Verfeuerung fossiler Brennstoffe verwendet werden. Ein Ethikausschuss sollte dafür sorgen, dass Aufträge aussortiert werden, wenn sie der Gesellschaft Schaden zufügen. Offenbar ist der fragliche Ethikausschuss in all diesen Projekten zu einer klaren Überzeugung gekommen. Vermutlich würden in Deutschland rasch die Lichter ausgehen, wenn sich Siemens (und andere Hersteller) schlagartig aus allen klimaschädlichen Bereichen zurückziehen würde. Aber: Wir, die Gesellschaft, sind die Nachfrager für den fossil erzeugten Strom. Einigen wir uns doch ganz einfach darauf, unseren Stromverbrauch schlagartig zu halbieren, dann braucht auch keiner mehr die klimaschädlichen Produkte von Siemens angefangen bei der Signalanlage und aufgehört bei der Gasturbine. Gehen würde es. Wer will es in letzter Konsequenz, machen wir alle mit?

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