Bis vor kurzem ging weltweit die Angst vor der Inflation um und die Preise kletterten immer schneller. Damit dürfte es bald vorbei sein. Der Preissturz bei den Rohstoffen dämpft die Teuerung voraussichtlich deutlich und ist zudem eine Art Welt-Konjunkturprogramm. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Das Risiko einer Deflation ist dadurch wieder gewachsen.
Wenn der CRB-Rohstoffindex binnen weniger Wochen um fast 20 Prozent einknickt, der Ölpreis ähnlich stark fällt und das wichtigste Industriemetall Kupfer sogar um 25 Prozent abstürzt – dann kann das nicht ohne Folgen auf die Verbraucherpreise bleiben. Bisher waren es ja die Commodities, die den Inflationsauftrieb anführten, jetzt dürften sie den Zug in die andere Richtung lenken. Weil die Konjunktur weltweit abdriftet, erfahren die Preise von dort einen zusätzlichen Dämpfer.
Die absehbare Entspannung an der Preisfront ist in mehrfacher Hinsicht positiv: Zum einen können Schwellenländer wie China ihre Zinssteigerungspolitik vermutlich bald beenden, zumal auch die Rohstoffe, die dort mehr als anderswo die Inflation bestimmen, also Nahrungsmittel wie Reis, ebenfalls deutlich billiger geworden sind. Das könnte eine entscheidende Bremse für die Weltwirtschaft lösen und die Emerging Markets wieder zu den Konjunkturantreibern werden lassen, die sie in den vergangenen Jahren waren. Zum anderen erhöht natürlich der Rückgang von Rohstoffpreisen und Inflation die Kaufkraft aller Verbraucher. Das ist vor allem in den Schuldnerländern wichtig, die zurzeit ihren Bürgern mit Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen viel Kaufkraft wegnehmen. Das macht den Sparkurs erträglicher. Mit anderen Worten: Die Rohstoffbaisse könnte sich zu einem gigantischen weltweiten Konjunkturprogramm entwickeln.
Aber es gibt natürlich auch Risiken. Nicht nur, dass die Einnahmen der rohstoffreichen Länder leiden – vermutlich wird die Angst vor der Deflation, also vor fallenden Preisen, wieder einmal aufleben. Davor haben Notenbanker, Regierungen und Anleger noch viel mehr Angst als vor der Inflation. Ein schwächeres Konjunkturumfeld und eine beschleunigte „Entschuldung“ der Weltwirtschaft begünstigen zweifellos deflationäre Ansätze ebenso wie der rapide Preisrückgang an den Rohstoffmärkten. Die Angst vor Deflation hat in diesem Jahrtausend schon des öfteren für Schocks an den Börsen gesorgt.
Trotzdem gehe ich davon aus, dass die segensreichen Wirkungen des Inflationsabbaus schneller eintreten und stärker ausfallen werden als die bremsenden der Deflation. Der Rohstoffpreisverfall hat damit die Konjunktur- und Börsenaussichten merklich verbessert. Jetzt müssen wir nur hoffen, dass die Commodities nicht gleich wieder nach oben starten, so wie sie das in den vergangenen Jahren fast immer nach starken Rückschlägen getan haben. Damals allerdings war die Konjunktur wesentlich robuster, und damit der Rohstoffhunger größer als jetzt.
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