Viel ist in den letzten Tagen über den grausamsten aller Börsenmonate geschrieben worden. Der September hat den Anlegern häufig massive Verluste beschert – zuletzt vor zwei Jahren nach der Lehman-Pleite. Klar, dass da die Nerven blank liegen und Crash-Prognosen bis hinab zu einem DAX von 1000 jetzt Konjunktur haben. Aber wenn alle das Schlechteste erwarten, trifft es in der Regel nicht ein. In der Tat spricht sogar einiges dafür, dass die Aktienmärkte ihren abgrundtiefen Pessimismus ablegen.
Viele deutsche Anleger haben sich in den vergangenen Wochen verwundert die Augen gerieben: Da wimmelt es hier zu Lande nur so vor euphorischen Konjunktur- und Unternehmensmeldungen – und trotzdem geht der DAX in die Knie. Dummerweise ist aber nicht nur die deutsche Wirtschaft extrem vom Ausland abhängig, sondern auch die deutsche Börse. Die Angst vor einer neuen Rezession – dem berüchtigten double dip – in den USA und vor einer starken Abkühlung der neuen Weltwirtschaftslokomotive China hat die guten heimischen Daten verpuffen lassen. Deshalb gilt es jetzt vor allem, den Blick in die beiden größten Völkswirtschaften der Erde zu richten. Dort wird nun einmal die Tendenz für die Weltbörsen entschieden.
Hoffnungsfroh stimmen vor allem China und die anderen großen Emerging Markets. Peking hat seiner boomenden Wirtschaft Anfang des Jahres eine Abkühlung verordnet. Die ist wunschgemäß eingetreten, und nun mit den ersten Zahlen für August zeigt es sich, dass die Furcht der Anleger vor einer zu starken Verlangsamung wohl übertrieben ist. Insbesondere die neue Stärke der Industrie, aber auch der nachlassende Preisauftrieb bei Immobilien, lässt erwarten, dass China auf einen Wachstumspfad nahe zehn Prozent einschwenken wird. Und das verspricht Impulse vor allem für Exportnationen wie Deutschland.
Auch andere wichtige Schwellenländer wie Indien und Russland kamen zuletzt mit überraschend starken Zahlen – kein Wunder, dass die Aktienmärkte der Emerging Markets seit Wochen wieder gut laufen. Und das ist ein gutes Zeichen. Nach der tiefen Nach-Lehman-Rezession waren die Schwellenländer in der Konjunktur und an den Aktienmärkten den Industriestaaten vorausgeeilt und haben sie dann mitgezogen.
Wie aber sieht es beim Sorgenkind USA aus? Nicht gut – aber mit Hoffnung auf Besserung. Die jüngsten Konjunkturdaten waren nicht ganz so schlecht wie erwartet – und die Regierung und die Notenbank haben klar gemacht, dass sie alles daran setzen werden, um eine Rezession zu verhindern. So dürfte Obama angesichts nahender Wahlen einen Großteil der Ende 2010 auslaufenden Steuervorteile für den Mittelstand verlängern und Bernanke kauft massenweise Staatsanleihen auf. Das drückt auf die Renditen und erhöht die Liquidität – und dürfte die Rezessionsängste ein wenig dämpfen.
Wie stark die Ängste zuletzt waren, zeigt sich an den wahnsinnig tief gefallenen Renditen der Staatsanleihen. Wenn zehnjährige Bundesanleihen gerade noch gut zwei Prozent abwerfen, ist das ein Zeichen extremster Sorgen. Wenn die Ängste sich aber, wie ich meine, als stark übertrieben herausstellen werden, genügen schon ein paar nicht ganz üble Konjunkturmeldungen aus den USA, um die negative Stimmung zu drehen. Zumal alle Bewertungskennziffern für die Aktienmärkte so günstig sind wie seit März 2009 nicht mehr. Die gestrigen Kurssprünge haben angedeutet, wie blitzschnell ein paar ordentliche Daten die kurzfristige Tendenz wenden können.
Der September-Effekt wird zwar sicherlich die Hektik an den Börsen hoch halten und eine Kurswende erschweren. Anleger, die sich davon nicht irre machen lassen, können gerade in dieser Phase starke Rückschläge nutzen und günstig auf Einkaufstour gehen. Denn wenn die Konjunkturwelt nicht untergeht, gibt es jede Menge Schnäppchen an den Aktienmärkten – sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern.
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