Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, heißt es für gewöhnlich. Doch an der Börse kann genau das Umgekehrte richtig sein. Dann nämlich, wenn man schlechte Zahlen eigentlich melden müsste und doch die Klappe hält. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt die IKB Bank zu Schadensersatz wegen einer unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung verurteilt. Trotzdem ist das Urteil für Anleger nur in Teilen befriedigend.
Vielleicht erinnern Sie sich: Ausgerechnet die auf Mittelstandsfinanzierungen spezialisierte IKB Bank geriet schon im Juli 2007 als erstes deutsches Institut in den Strudel der Finanzkrise und musste mit staatlichen Geldern gerettet werden. In einer Ad-hoc-Mitteilung vom 30. Juli hatte sie mitgeteilt, wegen der US-Subprime-Krise in existenzbedrohende Schieflage geraten zu sein. Bemerkenswert ist allerdings, das ihr damaliger Vorstandssprecher nur zehn Tage davor eine beschwichtigende Pressemitteilung herausgegeben hatte – mit dem Tenor, die IKB sei nur gering von der Subprime-Krise betroffen. Denn schon vorher hatten bereits Gerüchte über eine Gefährdung der Bank die Runde gemacht, die Prämien für Kreditausfallversicherungen auf die Bank waren drastisch gestiegen und die Aktie auf Tauchkurs gegangen.
Im Zusammenhang mit dieser beschönigenden Presesinfo vom 20. Juli 2007 wurde der frühere Vorstandssprecher bereits wegen Marktmanipulation verurteilt. Er hatte die tatsächliche Betroffenheit seiner Bank verschwiegen. Aus dieser Marktmanipulation kann ein Anleger allerdings keinen Haftungsanspruch ableiten, da nach Meinung des BGH der entsprechende Passus des (§ 20) des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) nicht dem Schutz einzelner Anleger, sondern allgemein der Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes dient. Immerhin hat der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat nun ein Urteil zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen nach § 37b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) gefällt, er spricht selbst von einem Grundsatzurteil.
Im konkreten Fall hatte ein Anleger am 26. Juli 2007 ein Aktienpaket der IKB erworben, nach eigenen Angaben im Vertrauen auf die Richtigkeit der – beschwichtigenden – Presseinformation. Die Bundesrichter sprachen dem Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen die Bank zu, weil sie eine Ad-hoc-Mitteilungen unterlassen hatte, die unverzüglich über die wahre Lage der IKB und ihr Engagement im US-Subprime-Markt hätte aufklären müssen. Der Anleger hat demnach einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises der Aktien Zug um Zug gegen deren Rückgabe oder alternativ auf die Erstattung der Differenz zwischen dem Kurs bei Erwerb der Aktien und deren fiktiven Kurs bei Veröffentlichung einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung.
Das Urteil (Aktenzeichen: XI ZR 51/10 vom 13. Dezember 2011) ist ein Warnschuss für alle Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken und geneigt sind, ihre Lage zu beschönigen. Anleger haben es künftig leichter, Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Pflichtmitteilungen zu stellen. Allerdings müssen sie beweisen können, dass sie bei rechtzeitiger Veröffentlichung einer warnenden Ad-hoc-Mitteilung die Finger von der Aktie gelassen hätte. Das ist gewiss kein einfaches Unterfangen. Der Fall wurde daher zu Klärung dieser Frage an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverweisen.
Allerdings beinhaltet das Urteil auch einen Wermutstropfen für Anleger : Denn der BGH hat klargestellt, dass man als Anleger aus einer gerichtlich bewiesenen Marktmanipulation keinen unmittelbaren Schadensersatzanspruch ableiten kann. Das ist aus meiner Sicht mehr als ärgerlich. Der Gesetzgeber ist meiner Meinung nach daher aufgerufen, klar festzulegen, dass auch der Paragraph 20 WpHG ein so genanntes Schutzgesetz im Sinne von Paragraph 823 BGB ist. Denn es ist nicht einzusehen, warum ein Anleger wegen einer unterlassenen Kapitalmarktinformation Schadensersatz fordern kann, wegen einer Marktmanipulation dagegen nicht. Beides läuft im Ergebnis nämlich oft auf dasselbe hinaus: Die Aktiennotierungen werden künstlich hoch gehalten, die Anleger abgezockt.
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