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Freitagsfrage: Warum rutscht die türkische Lira so stark ab?

Keine andere wichtige Währung der Welt hat in jüngster Zeit so stark verloren wie die Türkische Lira – rund 15 Prozent in den vergangenen acht Wochen gegenüber dem Euro. Dabei sind die Daten zur Wirtschaft überraschend gut. Was ist da los?

Isolation vom Westen, Investitionseinbruch, die Tourimusbranche in der Krise? Von Wegen. Mit einer Wachstum von 5,1 Prozent im zweiten Quartal überraschte die türkische Statistik die Finanzwelt. Und mehr noch: Die Tendenz sei steigend, meint Ministerpräsident Binali Yildirim, sieben Prozent können es seiner Ansicht nach bis Jahresende durchaus werden. Das wäre dynamischer als Chinas Wirtschaft. Kein Wunder also, dass die Börse in Istanbul boomt. Vor einem Jahr drehte der ISE National 100 Index ins Plus und macht seither rund 40 Prozent Plus.

Ausländische Anleger haben allerdings nichts davon. Denn im selben Zeitraum fiel die Türkische Lira so stark, dass die Wechselkursverluste die Kursgewinne der Aktien auffraßen. Doch warum fällt die Lira so stark, wenn es der Wirtschaft so gut geht?

Zum einen gibt es Stimmen, die die offizielle Statistik der Türkei anzweifeln. Die Commerzbank veröffentlichte vor kurzem eine Studie mit dem Titel „Turkey, are you kidding me?“ zu Deutsch:  deutsch: „Türkei – wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?“. Darin bezeichnen die Analysten die Daten als „politisch beeinflusst“, sprich beschönigt.

Zum anderen steht der Aufschwung in der Türkei, egal wie stark er tatsächlich ist, auf tönerenen Füßen. Das Land ist mit einem hohen Handelsbilanzdefizit ohnehin auf Kapitalimporte angewiesen, jetzt kommt noch ein kräftig wachsendes Staatsdefizit dazu. Denn die türkische Regierung steckt eine Menge Geld in ihre Wirtschaft. Viele Staatsbürgschaften für Unternehmen und öffentliche Bauprojekte befeuern die Konjunktur.

Das geht so lange gut, wie sich Geldgeber aus dem Ausland finden, die in der Türkei eine interessante Investitionsmöglichkeit finden. Die Geldflut vom Staat hat aber inzwischen dazu geführt, dass die Inflation stark gestiegen ist – auf zuletzt 11,9 Prozent. Und das ist höher als die Leitzinsen der Zentralbank. Real sind Zinsanlagen in der Türkei also bereits jetzt ein Verlustgeschäft.

Normalerweise würde die Zentralbank in einer solchen Situation die Zinsen anheben, damit die Lira attraktiver und die Inflation gedämpft wird. Doch Zentralbankchef ‎Murat Cetinkaya winkt ab, will erst einmal abwarten. Damit folgt er offensichtlich der kruden Theorie seines Präsidenten Erdogan, der behauptet, die Inflationsrate werde von hohen Zinsen nur befeuert. Und zeigt ausländischen Anlegern, dass die Zentralbank ganz offensichtlich nicht unabhängig agiert.

Das alles trägt sicher nicht dazu bei, das Vertrauen ausländischer Investoren zu stärken. Sehr wahrscheinlich also, dass sich die Spirale aus Abwertung, Verteuerung von Importen und höherer Inflation in nächster Zeit noch stärker dreht. Und dann auch letztendlich die Wirtschaft und die Währung weiter schwächt.


 

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