Um mehr als acht Prozent hat der Nikkei 225 binnen gut einer Woche zugelegt und damit alle anderen Leitindizes weit aus dem Feld geschlagen. Warum sind Japan-Aktien jetzt so gefragt – und hält der Höhenflug länger an?
Der Wendepunkt war Mitte voriger Woche. Da vermied Japan sein „fiscal cliff“, und die Regierung kündigte Neuwahlen für den 16. Dezember an. Ähnlich wie in Washington muss das Parlament auch in Tokio der Ausgabe neuer Anleihen zustimmen, sobald eine genehmigte Obergrenze erreicht wird. Angesichts der im Abschwung rasant gestiegenen Staatsverschuldung war diese Schwelle fast erreicht. Die Opposition unter Führung der Liberaldemokratischen Partei LDP verlangte als Preis für ihre Zustimmung zur Anhebung, dass Ministerpräsident Noda unmittelbar danach das Parlament ausflöst und einen Neuwahltermin bestimmt. Noda blieb nichts anderes übrig, um den Staatsbankrott zu vermeiden.
Damit war ein riesiger Belastungsfaktor vom Tokioter Aktienmarkt genommen. Hinzu kommt aber noch ein Hoffnungsfaktor: Die Anleger erwarten, dass Noda bei der Neuwahl unterliegt und durch LDP-Chef Shinzo Abe ersetzt wird. Die Meinungsumfragen deuten klar darauf hin. Warum aber soll das gut sein für Japan?
Weil bei den in- und ausländischen Anlegern der Eindruck herrscht, dass der Ex-Premier Abe das Land eher aus der Rezession führen kann als Noda, dessen Regierungszeit von Skandalen und Krisen geprägt war. Abe will der schwachen, seit Jahren von Deflation geplagten Wirtschaft, die im dritten Quartal um 0,9 Prozent gegenüber dem Vierteljahr zuvor geschrumpft ist, eine Inflationierung verschreiben. Er will das mit höheren Staatsausgaben erreichen und will – als absolutes Novum – die Notenbank sogar dazu verpflichten, ihre Nullzinspolitik aufzugeben und Negativzinsen einzuführen. Mit anderen Worten: Kreditinstitute sollen Geld dafür bekommen, wenn Sie sich Geld bei der Notenbank ausleihen.
Dadurch sollen mehrere positive Entwicklungen ausgelöst werden: Erstens würde die Kreditvergabe angekurbelt, was der Konjunktur hilft, zweitens würden die Kreditzinsen für Unternehmen und Staat noch weiter sinken und damit deren Kosten. Drittens schließlich könnten Negativzinsen endlich die seit Jahren anhaltende Stärke des Yen brechen, die Japans Exportwirtschaft in die Krise geführt hat – wie an den Problemen einstiger Perlen wie Sony oder Panasonic abzulesen ist.
Die Erwartungen sind also hoch an die so genannten Abenomics, wie die Wirtschaftspolitik à la Abe bereits genannt wird – aber erst müssen die Wahlen so ausgehen, wie es sich die Anleger vorstellen. Wenn das tatsächlich passiert und die Notenbank mitspielt, dürften auch die Aktienkurse noch Luft nach oben haben. Trotz der immensen und weiter rapide steigenden Staatsverschuldung. Denn die ängstigt die Experten weniger als man meinen sollte. Anders als in den USA oder gar Griechenland finanzieren die japanischen Anleger nämlich ihre Staatsschulden weitgehend selbst. Und Japan hat ein im internationalen Vergleich so niedriges Steuerniveau, dass die Verschuldung, so die Hoffnung, rasch zurückgeführt werden kann, sobald das Land die Deflationsspirale verlässt und die Regierung die Steuern anheben kann.
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Staatsverschuldung – kurz gefasst
"Zur Funktion einer Volkswirtschaft ist es erforderlich, dass der Geldkreislauf immer geschlossen bleibt. Um dies zu gewährleisten, müssen im gleichen Umfang, in dem die Geldvermögen zunehmen, auch die Schuldenaufnahmen ausgeweitet werden. Die Geldvermögen haben sich jedoch in Deutschland seit 1950 etwa alle zehn Jahre verdoppelt und damit – in reale Größen umgerechnet – bis 2009 auf das 46-fache vermehrt, während die Wirtschaftsleistung "nur" auf das 8-fache zugenommen hat.
Während diese ständig wachsenden Geldvermögen in den ersten Nachkriegsjahrzehnten noch von der Wirtschaft über Kreditaufnahmen absorbiert werden konnten, waren seit den 1970er Jahren die Staaten zunehmend gezwungen, die entstehenden Lücken durch Schuldenaufnahmen zu schließen. Da jedoch die eskalierenden Geldvermögen auch damit nicht mehr ausreichend eingebunden werden konnten, kam es zu jenen Spekulationsexzessen bei Börsen und Banken, deren Zusammenbrüche jetzt mit Steuermitteln aufgefangen werden müssen.
Das größte Ärgernis dieser Staatsverschuldungen von inzwischen 1,8 Billionen Euro in Deutschland ist jedoch der Tatbestand, dass sie uns gar keinen Nutzen gebracht haben. Denn den Kreditausweitungen zwischen 1970 und 2009, in Höhe von 1.596 Mrd. Euro, standen in der gleichen Zeit Zinszahlungen des Staates in Höhe von 1.562 Mrd. Euro gegenüber! D. h., nutzbar für Staat und Bürger waren in diesen 39 Jahren nur jene 34 Mrd. Euro, die sich aus der Differenz zwischen Kreditaufnahmen und Zinszahlungen ergeben. – Profitiert hat also alleine jene Bürger-Minderheit, die dem Staat ihr Geld geliehen hat: Sie ist um 1.562 Mrd. Euro reicher geworden."
Helmut Creutz (aus HUMANE WIRTSCHAFT 02/2011 S.12)
Eigentlich bedarf es keines weiteren Beweises, dass Politiker keine Volksvertreter sind, wobei sie nicht aus "bösem Willen" handeln, sondern sie wissen wirklich nicht, was sie tun.
Der "Jahrhundertökonom" John Maynard Keynes wusste, dass eine "antizyklische staatliche Investitionspolitik" die Katastrophe (globale Liquiditätsfalle) nur hinausschieben aber nicht verhindern kann, denn solange keine staatliche Liquiditätsgebühr auf alles Zentralbankgeld ("carrying costs") erhoben wird und es ein privates Bodeneigentumsrecht gibt, ist der Staat niemals in der Lage, die Verschuldung wieder abzubauen. Keynes wusste aber auch, dass die "hohe Politik" dumm genug sein würde, alle denkbaren und undenkbaren Möglichkeiten einer staatlichen Investitionspolitik auszuprobieren, bevor sie ihr Versagen eingestehen würde, denn etwas anderes kann die politische Seifenoper in einer Zinsgeld-Ökonomie (zivilisatorisches Mittelalter) sowieso nicht machen.
Das einzig Sinnvolle, was Politiker tun können, ist, sich selbst überflüssig zu machen!
Der Zins – Mythos und Wahrheit