Der internationale Finanzstabilitätsrat (FSB) übt schwere Kritik an der ETF-Industrie. Das aktuelle Gutachten findet viel Beachtung, denn das Gremium berät die Regierungen der G20-Länder in Regulierungsfragen. Die FSB spricht von „beunruhigenden Entwicklungen in einigen Marktsegmenten“ und fordert eine strengere Überwachung und mehr Transparenz. Das ist durchaus notwendig. Denn was häufig unter dem Oberbegriff Exchange Traded Fund (ETF) läuft, ist nicht immer ein ETF und viele Investoren kennen die Risiken nicht – zumindest nicht alle.
Neben den herkömmlichen ETFs entwickelte die Branche in den vergangenen Jahren viele artverwandte Produkte wie Rohstoff- oder Währungs-ETCs. Neuere Produkte zielen auch auf die Entwicklung weniger liquider Basiswerte, auf Schwellenländer, Hochzinsanleihen oder fallende Kurse oder bieten eine Hebelwirkung. Das erinnert an die Entwicklung am Zertifikatemarkt in den neunziger Jahren. Alles was damals den Zusatz Zertifikat im Namen trug, wurde mit den Vorteilen der klassischen Indexzertifikate in Verbindung gebracht. Sie galten als gute, einfache und preiswerte Produkte – und der Markt boomte wie heute ETFs & Co.
Genauso werden auch jetzt wieder weniger sichere Strukturen wie ETCs gerne in einen Topf mit ETFs und unter dem Oberbegriff präsentiert. Hinter vielen der neuen Kreationen stehen aber Inhaberschuldverschreibungen; sie sind kein Sondervermögen wie ETFs. Bei letzteren ist das Fondsvermögen im Insolvenzfall vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt, während Inhaberschuldverschreibungen höhere Risiken bergen. „Die Komplexität und Undurchschaubarkeit, dieser Innovationen erfordern eine engere Überwachung, da sie Investoren nicht vorhersehbaren Risiken aussetzen können“, schreibt die FSB.
Risiken bergen aber auch die klassichen ETFs: Teilweise wird die Performance über Swapgeschäfte sichergestellt. Zu diesen Zweck werden Derivate eingesetzt, Swappartner sind meist die Mutterbanken der ETF-Emittenten. Der FSB sieht darin ein Risiko, da Banken, die am aktivsten im Geschäft mit swapbasierten ETFs seien, eine mächtige Quelle für systemische Risiken darstellen könnten. In der Kritik steht auch die Praxis der Wertpapierleihe: Die Anbieter verleihen die im Portfolio enthaltenen Aktien gegen Gebühr und kassieren dafür Erträge. Doch was, wenn viele Anleger gleichzeitig ihr Geld abziehen? Die FSB fürchtet dann Liquiditätsprobleme.
Die ETF-Branche hat bereits reagiert, sie weiß um den Einfluss der FSB. Die ersten Anbieter kündigten an, für mehr Transparenz zu sorgen. Ob das der FSB und den Gestzgebern am Ende reichen wird, ist jedoch fraglich. Wichtig ist vor allem eine bessere Informationsversorgung der Investoren. Denn Otto-Normal-Anleger hat es ebenso wie ein Vermögensverwalter oft nicht leicht im Internet herauszufiltern, ob ein ETF swapbasiert ist, also Derivate einsetzt, oder ob er direkt in die jeweiligen Aktien investiert. Ein Risiko, das er klar kennen sollten. Geschweige denn kennt er die Leiherisiken seines Fonds.
Zu guter Letzt noch ein paar Zahlen zum Markt. Weltweit sind rund 1100 Milliarden Euro in ETFs und ETPs investiert, so die Daten des größten ETF-Anbieters Blackrock. Rund um den Globus werden etwa 3700 ETFs und Exchange Traded Products (ETPs) gehandelt. Unter letzteren werden die nicht als Sondervermögen klassifizierten Produkte wie zum Beispiel ETCs zusammengefasst. Seit Ende 2008 hat sich die Anzahl der ETPs nahezu verdoppelt, während etwa dreimal so viel Kapital als damals investiert ist. Der Großteil des Geldes ist aber nach wie vor in herkömmlichen ETFs angelegt.
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