Bis weit ins Frühjahr hinein war China der unumstrittene Motor für die globale Konjunktur und die Rohstoffpreise. Aber seither dämpft das Riesenreich das Wachstum. Das bleibt nicht ohne Folgen für die internationalen Märkte.
China tritt auf die Wachstumsbremse
Die heutige Meldung des chinesischen Autoverbands PCA kam nicht völlig überraschend: Die Verkäufe sind im Juli um 6,4% niedriger ausgefallen als ein Jahr zuvor. Bereits im Juni war der Absatz zurückgegangen. Ungewohnt für den weltgrößten Fahrzeugmarkt – und keine besonders frohe Botschaft für die deutschen Autohersteller. Denn für sie ist China schon lange das wichtigste Absatzgebiet, das für einen erheblichen Teil der Umsätze und Gewinne verantwortlich ist.
Aber die Fahrzeugindustrie ist beileibe nicht die einzige Branche, in der die Expansion ins Stocken geraten ist. Nach dem Rekordwachstum des ersten Quartals, als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um sagenhafte 18,3% im Vergleich zum Vorjahr zugelegt hat, kam Chinas BIP im zweiten Vierteljahr „nur“ noch um 7,9% voran. Und für das zweite Halbjahr haben einige Investmentbanken ihre Prognosen in den letzten Wochen nach unten korrigiert.
Konsequenter Kampf gegen die Delta-Variante in China
Die Abschwächung des China-Wachstums hängt zu einem guten Teil mit dem strikten Vorgehen gegen die Delta-Variante von Covid 19 zusammen. Die zunehmenden Corona-Fälle hatten in einigen Regionen Lockdowns und andere Beschränkungen zur Folge. Dabei lag die Zahl der Meldungen gestern mit 143 auf einem für internationale Verhältnisse extrem niedrigen Niveau. Umgerechnet auf die deutsche Einwohnerzahl (die 1/17 der chinesischen ausmacht) wären das gerade einmal acht bis neun neue Fälle pro Tag. Da aber die Corona-Restriktionen vor allem industriell wichtige Gebiete wie Wuhan betreffen, leidet die Konjunktur überdurchschnittlich. Der Markit-Einkaufsmanager-Index für Juli ist denn auch zuletzt deutlich gefallen.
Weiterer Preisschub bei Rohstoffen wurde verhindert
Die Pandemie ist aber nur ein Grund für die langsamere Konjunktur-Gangart. Ein anderer besteht darin, dass die Regierung das Wachstum bewusst etwas gedämpft hat. Denn der Wirtschaftsboom hatte unangenehme Nebenwirkungen. In einigen Branchen wie Fin-Techs und privaten Bildungsanbietern hat China deshalb die Regulierung massiv verstärkt – mit verheerenden Auswirkungen auf Aktien aus diesen Bereichen. Und der rapide Preisanstieg für wichtige Rohstoffe sorgt für Inflationsängste und Strukturprobleme.
Peking versuchte, den Kostenschub bei Eisenerz, Kupfer und Rohöl, wo China jeweils mit Abstand größter Importeur der Welt ist, sogar mit der Freigabe strategischer Reserven zu dämpfen. Dieses zusätzliche Angebot half, zusammen mit dem langsameren Konjunkturtempo, tatsächlich. Seither sind die Preise für viele Commodities deutlich gefallen.
Die große Frage ist nun, ob China noch weiter abbremsen oder nach der Verschnaufpause die Konjunktur wieder ankurbeln wird. Bei den internationalen Wirtschaftsexperten gehen die Meinungen dazu auseinander. Allerdings stimmt zuversichtlich, dass die Chinesische Notenbank jüngst die Kreditkosten leicht gesenkt und die Bankenliquidität erhöht hat. Das deutet darauf hin, dass die Regierung eine zu starke Abkühlung nicht hinnehmen wird.
Die Weltwirtschaft hat auf Chinas langsameres Wachstum und die überall auftauchenden Probleme mit der Delta-Variante bereits reagiert. Der globale Einkaufsmanagerindex ist seit seinem 15-Jahreshoch vom Mai deutlich zurückgefallen, ein Signal für eine leichte Konjunktureintrübung. Für die globale Wirtschaft wäre ein deutlicher chinesischer Konjunkturrückgang fatal, hängt doch der Aufschwung nach der Corona-Krise zu einem guten Teil vom Tempo der Wachstumslokomotive China ab. Aber wie es aussieht, wird das Riesenreich bald wieder vorsichtig Gas gebe, sobald es die Überhitzungsprobleme überwunden wähnt.
Chinas Bremsmanöver hat auch positive Folgen für die Aktienmärkte
An den Börsen wird die Abkühlung in China keineswegs nur negativ gewertet. Schließlich hat sie dabei geholfen, dass die enormen Preissteigerungen bei Öl, Kupfer, Stahl und anderen Materialien vorerst gestoppt sind. Und dass die Handelsströme insgesamt in ruhigeren Bahnen verlaufen. Beides hilft dabei, langfristig schädliche Konjunkturübertreibungen zu vermeiden und Inflationssorgen zu dämpfen. Die Aktienmärkte sind in der Vergangenheit meistens dann am besten gefahren, wenn das Wachstum und der Preisauftrieb moderat ausgefallen sind. Beides ist, nicht zuletzt durch Chinas Maßnahmen, eine durchaus realistische Perspektive.
Foto: by Nate Landy on Unsplash
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