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Bundespräsident, bleib bei Deinen Leisten

Typisch Deutsch: Weil ThyssenKrupp den Konzern umbauen und dabei einen Teil seiner Betriebe verkaufen will, hat Bundespräsident Christian Wulff den geplanten Besuch eines neuen Thyssen-Stahlwerks in Brasilien kurzfristig abgesagt. Ein Grund war wohl auch, dass er beleidigt war, weil er vorher nicht informiert wurde. Aber Wulff sollte wissen: Auch ein Bundespräsident steht nicht über dem Insiderrecht. Und er sollte Unternehmensstrategien nicht vorschnell verurteilen.

Nach dem Wertpapierhandelsgesetz müssen börsennotierte Unternehmen Insiderinformationen sofort (ad hoc-Publizität) veröffentlichen, um einer Weiterverbreitung kursrelevanter Tatsachen zuvorzukommen und Insiderhandel zu unterbinden. Und das ist nur gewährleistet, wenn alle Marktteilnehmer die Informationen gleichzeitig erhalten. Wie kursrelevant der massivste Umbau von ThyssenKrupp seit Jahrzehnten war, zeigte sich an dem Kurssprung der Aktie um rund acht Prozent. Diese Tatsache vorher dem Präsidialbüro zu „stecken“ wäre nicht nur ungesetzlich gewesen, sondern auch töricht. Schließlich weiß jeder, dass in Berlin jede Information blitzschnell die Runde macht. So aber ist es dem neuen ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger gelungen, sämtliche Pläne bis zur ad-hoc-Veröffentlichung – unmittelbar nach einer außerordentlichen Vorstandssitzung – unter der Decke zu halten. Eine Meisterleistung im Vergleich zu den oft monatelangen Aktienspekulationen bei anderen Konzernen. Ganz zu schweigen von den Indiskretionen in der Politik.

Wulff hat zudem mit seiner Absage ein so negatives Presseecho ausgelöst, wie es Thyssens Plänen nicht gerecht wird. Da hieß es anschließend bei einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender doch tatsächlich, der Konzern wolle 35 000 Mitarbeiter entlassen. Dabei plant er keine Entlassungen, sondern den Verkauf von Unternehmensteilen mit 35 000 Beschäftigten. Selbst der Betriebsrat und die Gewerkschaften stehen hinter Hiesingers Plänen, weil sie wissen, dass das Unternehmen seine viel zu hohen Schulden bald abbauen muss. Immerhin muss ThyssenKrupp in zwei Jahren Anleihen im Volumen von fast drei Milliarden Euro zurückzahlen.

Mit dem geplanten Umbau will sich Hiesinger aber nicht nur Geld beschaffen, sondern auch die knappen Investitionsmittel gezielter auf die strategisch entscheidenden Bereiche verteilen, damit diese zukunftssicher ausgerichtet werden können – vor allem dort, wo die Musik spielt, also in den Schwellenländern. Über diese Hintergründe hätte sich Wulff sicherlich von seinen Beamten unterrichten lassen können. Aber er hat es vorgezogen, beleidigte Leberwurst zu spielen und mit seiner Absage ein Urteil über unternehmerische Entscheidungen zu fällen, von denen er offenkundig keine Ahnung hatte.

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