Ausgerechnet der liberale Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle spricht sich überraschend für höher Löhne aus – und formuliert Sätze, die aus dem Grundsatzprogramm der Gewerkschaft ver.di stammen könnten: „Wenn die Wirtschaft boomt, sind auch kräftige Lohnerhöhungen möglich“, so der Vorzeige-Ordnungpolitiker der FDP. Was treibt den Mann?
Die Partei mit dem Wirtschaftverstand steht normalerweise nicht im Verdacht, linken Wählern nach dem Mund zu reden. Und dürfte damit nach allen Harz IV Vorschlägen und Auftritten ihres Vorsitzenden Guido Westerwelle auch wenig Erfolg haben. Doch die Unterstützung von unerwarteter Seite dürfte nun die Gewerkschaften beflügeln und eine heiße Tarifrunde anstoßen. Mehr Streiks und höhere Abschlüsse sind da wahrscheinlich.
Das ist ökonomisch nicht wirklich falsch – aber hoch riskant. Denn der deutsche Aufschwung ist sicher imposant, aber noch lange nicht risikofrei. Höhere Löhne könnten die Unternehmen in einer Phase erwischen, in der es nicht mehr so rund läuft: Die Konjunktur in den USA ist noch lange nicht über den Berg, in China warnen einige Ökonomen vor einem unschönen Ende der Überhitzung. Und die expansive Geldpolitik aller wichtigen Zentralbanken birgt eine latente Inflationsgefahr, die dann real werden könnte, wenn Preise anfangen zu steigen. Oder Löhne.
Zudem ist der Währungsstreit zwischen China und den USA keineswegs ausgestanden. Der Euro könnte dabei schnell in ungeahnte Höhen klettern und den Exportboom bremsen oder gar abwürgen. Das genau könnte aber der Grund für Brüderles unerwartete Stellungnahme sein. Denn die USA haben nicht nur China, sondern auch Deutschland wegen ihrer hohen Handelbilanzüberschüsse im Visier. Vor dem Treffen der G20 an diesem Wochenende forderte US-Finanzminister Timothy Geithner in einem Brief, dass Länder mit hohen Überschüssen durch Steuererleichterungen und höheren Wechselkursen für mehr Nachfrage und einen Ausgleich der Ungleichgewichte sorgen sollten.
Brüderle hat auf diesen Vorschlag äußerst harsch reagiert. Ein „Rückfall in planwirtschaftliches Denken “ sei so etwas. Hinter den Kulissen will er nun aber anscheinend doch Entgegenkommen signalisieren. Weil Steuererleichterungen in Zeiten der Schuldenbremse nicht machbar sind, sollen es nun wohl die Löhne richten. Ein genialer Plan, wenn alles gut geht: Die Konjunktur brummt, die Steuereinnahmen steigen, der Haushalt steht sogar besser da als vorher und die USA freuen sich. Ein Fiasko allerdings, wenn die Wirtschaft erneut Probleme bekommt. Oder die Inflation weltweit anspringt. Alles in allem also ein Spiel mit dem Feuer.
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