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Freitagsfrage: Warum streiten alle um automatischen Sanktionen im Stabilitätspakt?

FDP-Chef Guido Westerwelle übt sie mit Nachdruck. Der Chef der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet lässt sie von seinem Pressesprecher ausrichten. EU-Parlamentarier Martin Schulz erregt sich dabei richtig und Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Finanzminister, versteckt sie hinter seinem gewohnten Charme: scharfe Kritik an den jüngsten deutsch-französischen Vereinbarungen zum europäischen Stabilitätspakt.

Vor wenigen Tagen einigten sich der französische Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen gemeinsamen Vorschlag zur Reform des Stabilitätspaktes, der verhindern helfen soll, das Euro-Mitglieder zu hohe Schulden auftürmen, man denke nur an das Beispiel Griechenland. Zur Überraschung vieler verzichtete Angela Merkel jedoch auf einen Automatismus, wonach überschuldete Länder ohne wenn und aber Sanktionen erwartet. Doch warum halten solch einen Automatismus alle für so wichtig?

Im Prinzip gibt es zwei große Hebel, um die Konjunktur eines Landes bewusst zu beeinflussen: die Geldpolitik, die über Kreditzinsen und Wechselkurs für bessere oder schlechtere Bedingungen für die Wirtschaft sorgt, sowie die Fiskalpolitik. Die Regierung kann die Konjunktur durch Subventionen, niedrigere Steuern und höhere Ausgaben ankurbeln – und ganz nebenbei Wähler glücklich glücklich machen. Das Problem dabei: In der Regel geht expansive Fiskalpolitik nur auf Pump, also zum Preis höherer Neuverschuldung und höherer Staatsdefizite.

Mit Schaffung der Europäischen Zentralbank haben die Länder den geldpolitischen Hebel aus der Hand gegeben, die ihn bis dahin gerne eher mal für Konjunkturpolitik genutzt haben – allen voran Frankreich. Und eigentlich regelt der Stabilitätspakt, der auf Drängen der Deutschen in die Vereinbarungen zum Euro aufgenommen wurde, die Sache auch für die Fiskalpolitik klar: Staaten, deren Neuverschuldung mehr  als drei Prozent des Bruttoinlandprodukts beträgt, rutschen in ein Sanktionsverfahren, an dessen Ende empfindliche Strafzahlungen stehen.

Die Bedingungen dafür waren aber wachsweich. Vor den Sanktionen gab es unendliche Diskussionen, Verfahren und Rechtfertigungsgelegenheiten, der Pakt griff in der Realität nicht. Selbst Deutschland verstieß gegen die Auflagen und kam mit einer Ermahnung davon. Nach den bitteren Erfahrungen mit Griechenland war man sich nun einig, dass auch in Sachen Fiskalpolitik und Verschuldung eine strengere Linie her muss – automatische Sanktionen ohne wenn und aber.

Doch nun ist Merkel eingeknickt. Warum, bleibt vielen Beobachtern ein Rätsel. In einem gemeinsamen Vorschlag mit Frankreich will sie nun wieder eine Frist von sechs Monaten einführen, in denen Defizitsünder Maßnahmen zu Korrektur für ihr Defizit vorstellen können, bevor die Strafmechanismen greifen. Wie das in der EU normalerweise läuft, weiß jeder.

Das ist in den Augen der Kritiker ein großer Schritt zurück. Denn ohne eine gemeinsame Fiskalpolitik kann man auf Dauer keine gemeinsame Währung haben. Und eine stabile Währung nur dann, wenn die Haushalte aller Mitgliedsländer halbwegs solide sind.

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