In Großbritannien gibt es einen neuen Premierminister und der will sein Land nun endgültig am 31. Oktober aus der EU führen. Boris Johnson will neu mit der EU verhandeln und droht dabei mit einem harten Brexit – also einem Auftritt ohne Abkommen mit der EU. Doch so einfach ist das nicht.
Pragmatismus, kleine Schritte oder auch kleine Worte sind nicht die Sache des neuen britischen Premierministers Boris Johnson. Er werde seinem Land neue Energie verleihen verspricht er patetisch und malt die Zukunft des Landes rosig: Großbritannien sei ein schlafender Riese, der erwachen und sich von seinen Ketten befreien werde.
Das klingt gut, doch auch Boris Johnson wird vermutlich rasch auf die profane Realität stoßen. Denn seinen vollmundigen Versprechen für einen gelungenen Brexit in kurzer Zeit haben ein paar gravierende Schwachstellen:
- neue Verhandlungen mit der EU wird es vermutlich überhaupt nicht geben. Denn die 27 verbliebenen Mitgliedstaaten haben sich in den vergangenen Jahren in Sachen Brexit erstaunlich geschlossen gezeigt. Es spricht nichts dafür, dass die Einigkeit aufbricht und es gibt auch keine neuen Argumente oder Druckmittel die Johnson anführen kann. Aus Brüssel kommt von hochrangiger Stelle daher eine klare Absage für neue Gespräche.
- Der harte Brexit ist nach wie vor eine schwache Drohkulisse gegenüber der EU. Denn er würde zwar erhebliche Probleme und einen Konjunkturdämpfer in den verbleibenden EU-Staaten schaffen, für die Britten wäre er aber eine mehr oder weniger große Katastrophe. Versorgungsengpässe, Währungsverfall, Arbeitslosigkeit und andere Probleme wären die Folge. Ganz zu schweigen von einem möglichen neuen bewaffneten Konflikt in Irland. Unter Experten ist kaum strittig, dass diese Probleme bei einem Austritt ohne Abkommen virulent würden, fraglich ist nur wie stark sie ausfallen würden.
- Neue Absatzmärkte kann sich Großbritannien kaum schnell erschließen. Zwar würde US-Präsident Donald Trump sicher gerne den Retter spielen – allerdings zu einem saftigen Preis. Das hieße zum Beispiel, dass US-Firmen in dem bislang staatlichen Gesundheitssystem mitspielen dürften.
- Entsprechend groß dürfte der Widerstand in Großbritannien ausfallen – einerseits von der Wirtschaft, andererseits von jenen Regionen wie Schottland, die ohnehin nicht aus der EU austreten wollen, und anderen EU Freunden.
- Und auch Boris Johnson kommt nicht am Parlament vorbei, dass sich eine Mitsprache beim Brexit vorbehalten hat. Und klar gemacht hat, dass es diese Mitsprache auch ausüben will. Gerade hat das Parlament eine Änderung beschlossen, die verhindern soll, dass der Premier die Parlamentarier in der kritischen Phase in einem Zwangsurlaub schickt. Und bisher ist eine Mehrheit dort ausdrücklich gegen einen harten Brexit. Wie Johnson das überwinden will, hat er bisher nicht verraten.
Na mal schauen, wann der Brexit-Wahnsinn sein Ende nimmt.