Array ( )

Unser Blog zu Geldanlage, Börse und ETF

Home » Unser Blog zu Geldanlage, Börse und ETF » Konjunktur & Wirtschaft » Warum der Staat Milliarden in die Rentenversicherung zahlen muss

Warum der Staat Milliarden in die Rentenversicherung zahlen muss

Das tiefe Loch im Bundeshaushalt hat die Diskussion um die enormen staatlichen Zahlungen an die Rentenversicherung neu entfacht. Da gibt es jede Menge Kürzungsmöglichkeiten, sagen die Einen. Im Gegenteil, sagen die Anderen und verweisen darauf, dass der Staat weniger zahlt als er müsste. Wer hat recht?

Ist die Rentenversicherung ohne die staatlichen Zuschüsse von jährlich über 100 Milliarden Euro nicht überlebensfähig? Wenn man die Kommentare vieler Politiker und Kolumnisten verfolgt, könnte man das glatt glauben. In der Diskussion über Einsparungen im Bundeshaushalt ist eine Kürzung der Bundeszuschüsse denn auch eine oft geäußerte Forderung. Und das, obwohl nicht die Deutsche Rentenversicherung (DVR) Kostgängerin des Staates ist. Sondern eher umgekehrt. Wie das?

Regierung schraubt den Bundesanteil für die Rentenversicherung stark zurück

Lassen wir die nackten Zahlen sprechen: Aus dem Bundeshaushalt sind 2023 rund 113 Milliarden Euro als Zuschüsse an die Rentenkassen gezahlt worden. Das ist ein gewaltiger Brocken, macht er doch fast ein Viertel der Gesamtausgaben der Rentenversicherung von 457,7 Milliarden Euro aus. Gemessen an den Rentenzahlungen von rund 385 Milliarden Euro waren es sogar 29,3%. Erstaunlich dabei: Der Anteil der staatlichen Zuschüsse an der Finanzierung der gesetzlichen Rente hat – im Gegensatz zur landläufigen Meinung –  in den letzten zwei Jahrzehnten nicht zu- sondern stark abgenommen. 2003 betrug er noch stolze 33,3%, also glatte vier Prozentpunkte mehr als 2023,  im Jahr 2020 war es mit 30,3% immerhin ein Prozentpunkt mehr.

Warum aber schießt der Staat überhaupt der Rentenversicherung über 100 Milliarden Euro zu? Sind das „Geschenke für die Rentner“, wie immer wieder behauptet wird? Sicher nicht. Denn es gibt einen guten Grund, warum der Staat Geld zubuttert: Weil die Rentenkasse nicht nur Altersbezüge auszahlt, die durch Versicherungsbeiträge der Rentner erworben worden sind. Einen großen Anteil machen Zahlungen für versicherungsfremde Leistungen aus. Die DRV stellt denn auch unmissverständlich klar: „Mit den Bundeszuschüssen wird nicht etwa die Rentenversicherung subventioniert; vielmehr wird ihr ein Großteil der Kosten sogenannter nicht beitragsgedeckter Leistungen erstattet.“

Verwirrspiel um die versicherungsfremden Leistungen

Dabei handelt es sich überwiegend um gesamtstaatliche Leistungen, die eigentlich aus Steuereinnahmen bestritten werden müssten. Darunter fallen Mütterrente, Grundrentenzuschläge und auch ein Teil der Renten und Zusatzversorgungen an Bürger der ehemaligen DDR. Empfänger von Altersbezügen aus den neuen Bundesländern konnten ja vor 1990 keine Beiträge in die damalige westdeutsche Rentenversicherung leisten, sie erhalten aber auf politischen Beschluss hin entsprechende Beitragszeiten anerkannt.

Da die enormen Kosten dieser politischen Entscheidungen nicht einseitig nur den gesetzlich Versicherten, also vor allem Angestellten und Arbeitern aufgebürdet werden sollen, zahlt der Staat Bundeszuschüsse. So werden auch Beamte, Minister oder Selbständige indirekt (über Steuern) an diesen Kosten beteiligt.

Wie hoch die versicherungsfremden Leistungen der Rentenversicherung exakt sind, lässt sich leider nicht beziffern.  Das liegt daran, dass die Statistik – Kritiker meinen bewusst – so gestaltet ist, dass man das Volumen der nicht mit Versicherungsbeiträgen gedeckten Leistungen teilweise schätzen muss. Das missfällt dem Bundesrechnungshof. Er empfiehlt deshalb dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), mehr Transparenz herzustellen. Und rät, es solle„zumindest die versicherungsfremden Leistungen  in der Bandbreite der engen und erweiterten Abgrenzung der DRV benennen und ihre Höhe berechnen.“

Regierung kürzt geplante Bundeszuschüsse ab 2022 um 5 Milliarden Euro

Die DRV hat das letztmals für 2020 getan. Damals bezifferte sie die staatlichen Zahlungen in der engen Abgrenzung auf 63,3 Milliarden Euro und in der erweiterten auf 112,4 Milliarden Euro. Die Bundeszuschüsse hatten 2020 insgesamt 75,3 Milliarden Euro betragen. Nach Ansicht der DRV spiegelt die erweiterte Abgrenzung die tatsächlichen Kosen am ehesten wider. Dort ist der West-Ost-Transfer neben der Anerkennung von Kindererziehungszeiten der größte Brocken. Nach dieser Rechnung hätte der Bund 2020 also bis zu 37 Milliarden Euro zu wenig an die DRV überwiesen.

Das Arbeits- und Sozialministerium hat eine Konkretisierung der versicherungsfremden Leistungen bisher abgelehnt. Die Bundeszuschüsse in der Rentenversicherung seien „multifunktional“, heißt es dort und dienten nicht allein der Abdeckung von versicherungsfremden Leistungen. Ob das Ministerium auf die jüngste Empfehlung des Bundesrechnungshofs Folge leisten wird, gilt als ziemlich unwahrscheinlich. Denn das würde die Regierung unter Umständen in Zugzwang bringen, die Bundeszuschüsse sogar zu erhöhen. Dabei hat sie doch eher vor, sie einzudampfen. Damit hat das BMAS bereits begonnen. Für die Jahre 2022 bis 2027 hat es die vereinbarten Zahlungen an die DRV – zum Teil rückwirkend – um insgesamt mehr als 5 Milliarden Euro verringert.

Rentenversicherung als Spielball der staatlichen Haushaltspolitik

Die Rentenkasse hat diese „kurzfristige haushaltspolitisch motivierte Kürzung“ heftig kritisiert. Sie fürchtet, dass durch diese Schritte „das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung und den Sozialstaat als Ganzes“  ausgehöhlt werden könnte. Der Sozialbeirat der Bundesregierung hatte es schon 2010 in einem Gutachten als ordnungspolitisch problematisch bezeichnet, nicht beitragsgedeckte Leistungen „aus der Steuer- in die Beitragsfinanzierung zu verschieben“. Reagiert hat die Regierung damals nicht. Und auch die jüngsten mahnenden Worte des Bundesrechnungshofs dürften wenig an der intransparenten Information über die Finanzierung der gesetzlichen Rente ändern. Das Verwirrspiel geht also vermutlich weiter.

Bild von photosforyou auf Pixabay

Weitere Beiträge
0 Kommentare

Kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hinweis zum Datenschutz

Themen

Archiv

Autoren

Blog abonnieren

Unsere Bücher

Alle Bücher

Unser Team