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Leoni, Drägerwerk + Co. – wie sinnvoll sind Quartalsprognosen?

Als vorige Woche der Nürnberger Autozulieferer Leoni und das Lübecker Medizin- und Sicherheitstechnikunternehmen Drägerwerk Gewinnwarnungen für die Ergebnisse des dritten Quartals aussprachen, reagierten die Börsen panisch: Die Aktien beider Unternehmen stürzten ab. Diese Blutbäder haben eine Diskussion neu eröffnet, die immer wieder für Zündstoff sorgt: Wie sinnvoll sind Quartalsergebnisse – und sollen Unternehmen so kurzfristige Ausblicke wie für ein Vierteljahr überhaupt abgeben?

Vor mehr als einem Jahrzehnt weigerte sich der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, Quartalszahlen zu veröffentlichen. Er sah das als Unsinn an bei einem Unternehmen, dessen Investitionsentscheidungen die Entwicklungen der nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte prägen. Quartalsschwankungen beim Gewinn sah er dabei als mehr oder weniger zufällig an. Und die Fixierung der Anleger und Analysten, insbesondere der amerikanischen, auf kurzfristige Ertragsschwankungen betrachtete er als gravierende Fehlentwicklung, die Unternehmen teilweise davon abhielten, langfristig richtige Entscheidungen zu treffen.

In die gleiche Kerbe schlägt nun jemand, von dem man es kaum erwartet hätte: Jamie Dimon, der mächtige Chef der mächtigen US-Bank JPMorgan. In einem Bloomberg-Interview beklagte er sich, dass die Anleger und die Aktienkurse auf kurzfristige Schwankungen überreagieren – so wie kurz zuvor bei den Quartalsdaten von JPMorgan, die er als viel besser bewertete als die Analystenzunft. Und er griff die gesamte Praxis der Gewinnprognosen des Managements von Aktiengesellschaften für jedes Quartal an. Unternehmenschefs sollten seiner Meinung nach keine so genannte Earnings-Guidances geben, weil sie nie wissen können, was in den nächsten drei Monaten passiert. Viel wichtiger sei die langfristige Ertragsentwicklung. Er selbst, so Dimon, beachte Quartalsergebnissse überhaupt nicht.

In der Tat widerspricht die zunehmende Fokussierung der Märkte auf kurzfristige Gewinnschwankungen dem Langfristcharakter der Aktienanlage. Der Zwang, Analysten und Anlegern alle drei Monate neue Erfolge „liefern“ zu müssen, führt sicherlich immer wieder zu falschen Entscheidungen der Firmenbosse aus lauter Angst, die Märkte zu enttäuschen. Und oft auch zu kreativer Buchhaltung, um die vorausgesagten Ergebnisse zu erreichen. Klar, die Anleger haben ein Recht darauf, zeitnah über die Entwicklungen in den Unternehmen informiert zu werden – aber das Starren auf die nackten Quartalsergebnisse und der Zwang der Unternehmen, Quartal für Quartal möglichst präzise Voraussagen zu machen, erschwert die Einschätzung der langfristigen Chancen und Risiken eines Unternehmens.

Nicht nur Leoni und Drägerwerk, sondern in den Quartalen zuvor viele andere AGs können ein Lied davon singen, dass Gewinnverfehlungen die Aktienkurse viel tiefer als früher stürzen lassen. Die Hochfrequenzhändler und Zocker freut es – aber die Langfristaktionäre werden abgeschreckt.

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