Gerade eben hat die EU ihre Prognose wieder einmal nach unten korrigiert. Demnach steckt Europa noch mitten in einer Rezession, der Aufschwung ist verschoben. Und auch in den USA sieht es nicht gut aus: Die OECD bescheinigte dem Land vor kurzem ein Minus von 3,8 Prozent für 2020. Einzig China wächst, laut OECD 2020 um 1,8 Prozent, im laufenden Jahr sogar um 8 Prozent. Während die westliche Welt 2021 also damit beschäftigt sein dürfte, die Einbußen aus 2020 wieder aufzuholen, expandiert Corona-Gewinner China weiter. Und wird somit auch wirtschaftlich immer mächtiger. Wird China mit Corona also endgültig zur Weltmacht Nummer eins? Und kann irgendetwas den Aufstieg noch stoppen?
Corona-Gewinner China fühlt sich überlegen
Als der neu gewählte US-Präsident Joe Biden vergangene Woche das erste Mal mit Chinas mächtigem Staatspräsidenten Xi Jinping telefonierte, nahm er angeblich kein Blatt vor den Mund. Biden äußerte sich besorgt um die Menschenrechtsverletzungen im Reich der Mitte und die Situation in Hongkong. Ob das Xi Jinping beeindruckt hat, ist fraglich. Denn der weiß sehr gut, dass die Welt momentan mehr denn je auf die Nachfrage von Corona-Gewinner China angewiesen ist, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden. Dabei fühlt sich das Reich der Mitte klar als Gewinner der Corona-Krise. Mit harten Überwachungsmaßnahmen ist es dort gelungen, die Krankheit weitgehend einzudämmen. Und nicht nur Xi, sondern auch viele Chinesen sehen das als Beleg dafür, dass ihr System dem individuellen, freiheitlichen Ansatz in der westlichen Welt überlegen ist.
Dennoch wird der Aufstieg Chinas nicht ohne Friktionen ablaufen – und wir alle nicht demnächst in einem chinesisch geprägten System leben. Denn die wirtschaftliche Kraft und die Innovationsstärke des Reichs der Mitte sind gigantisch – seine Probleme sind es aber auch. Zwar hat die Führung einen straffen Kurs Richtung Technologieführerschaft ausgegeben und ist in einigen Bereichen weit gekommen. Und auch in Sachen Umwelt – bislang ein immenses Problem in der chinesischen Wirtschaft – hat ein Sinneswandel eingesetzt. 2060 will China klimaneutral sein. Doch einige andere Probleme werden das Reich der Mitte lange beschäftigen und den Aufstieg hemmen:
Viele Allianzen gegen China
Nicht nur aus den USA unter Joe Biden, auch aus einigen anderen Ländern kommt Widerstand gegen eine chinesische Vorherrschaft. Da ist zum einen Indien, das mit China schon lange über einige Territorialstreitigkeiten im Clinch liegt – und auch Indien ist auf dem Weg zu mehr Bedeutung. Vor allem aber könnte die „westliche Welt“ – also die USA, Europa, Japan und einige andere entwickelte Demokratien – nach dem Ende der Amtszeit von Donald Trump wieder gemeinsam auftreten. Und wäre damit eine wesentlich stärkere Gegenmacht.
Das liegt nicht nur daran, dass die USA wieder mehr auf Kooperation setzen werden. Sondern auch daran, dass Chinas Bemühungen, einzelne Länder – zum Beispiel in Osteuropa – von sich abhängig zu machen, derzeit eher ins Leere laufen. So scheint die Enttäuschung über die Investitionen Chinas in einigen dieser Länder groß zu sein. Denn China hat zwar im Rahmen seines „Seidenstraßen“-Projektes einige Infrastrukturmaßnahmen dort durchgeführt. Sie mussten aber zum Teil von den Ländern finanziert werden und wurden vor allem von chinesischen Firmen ausgeführt. Zu einer Gipfelkonferenz der Osteuropäer mit Xi Jinping erschienen zumindest ein Drittel der Staatschefs in dieser Woche nicht, sondern schickten einen Vertreter, wie die Neue Zürcher Zeitung meldet. Ein klares Signal.
Die Stärken können zu Schwächen werden
Chinas System baut auf einem kollektiven Ansatz auf: Die Führung beschließt und alle folgen – freiwillig oder unter Zwang. Das hat den Wandel von einem armen Land zu einer Technologiemacht beschleunigt. Und Xi hat eine ganz klare Strategie formuliert, wie und wohin es wirtschaftlich und technologisch weitergehen soll: China 2025 heißt der Plan, mit dem aus der ehemaligen Billiglohn-Werkbank eine Highend-Technologiemacht werden soll. Und bisher läuft es überwiegend rund, denn alle in den Unternehmen und der Forschung ziehen mit. So eine zentral gesteuerte Strategie kann unglaubliche Kräfte entfalten. Wenn sie in die richtige Richtung geht. Wenn etwas schief geht, entfesselt sie gewaltige Probleme. Das hat der Auf- und Abstieg Japans gezeigt, dessen mächtiges Ministerium MITI in den 80er Jahren als unschlagbar galt.
Und die Lösungen für heute können die Sorgen von morgen sein. Nirgendwo zeigt sich das deutlicher als in der Demographie Chinas. Lange Zeit war die mit Zwang umgesetzte Ein-Kind-Politik ein Garant für die Entwicklung. Jetzt könnten ihre Folgen eines der größten Probleme Chinas in den kommenden Jahren werden. Denn die Gesellschaft überaltert, und das wird das Wachstum und die Innovationskraft erheblich hemmen. Zwar hat die Regierung die Abkehr von der Geburtenkontrolle eingeleitet. Die Generation der Einzelkinder und gut ausgebildeten Frauen hat aber dennoch kein Interesse an großen Familien – die Geburtenrate sinkt weiter.
Kooperation mit Corona-Gewinner China statt Konfrontation
Für die westliche Welt ist das alles eine große Herausforderung: Einerseits ist die Weltwirtschaft während und nach der Pandemie mehr denn je vom Corona-Gewinner China abhängig. Andererseits ist das Verhalten der Führung oft aggressiv und verletzt Interessen der anderen Länder. Was also tun? Ganz klar: zusammenarbeiten und dabei die eigenen Regeln hoch halten. Denn auch China ist von der restlichen Welt abhängig und kann eben nicht tun und lassen, was es will. Der weitere Aufstieg des Reichs der Mitte sollte eine Win-Win Situation werden und das geht nur im Dialog. Auch wenn das tatsächlich sehr schwierig werden dürfte.
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