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Freitagsfrage: Warum weichen die Konjunktureinschätzungen zurzeit so stark voneinander ab

Für viele Menschen ist es verwirrend: auf der einen Seite lesen und hören sie tagtäglich Erfolgsmeldungen von der Konjunktur – weniger Arbeitslose, viel mehr Exporte, steigende Produktion, nach oben revidierte Wachstumsschätzungen für 2010 – und auf der anderen von wachsendem Konjunkturpessimismus, der ja auch die Börsen seit Frühjahrsbeginn erfasst hat. Manche Experten sehen bereits eine neue Rezession nahen, während andere felsenfest von einem anhaltenden Aufschwung ausgehen. Woher rühren diese derzeit so extrem unterschiedlichen Konjunktureinschätzungen? Und was bedeuten sie für die Börsen?

Klar ist, dass der steile Aufwärtspfad der Weltwirtschaft  ohne die massiven Konjunkturprogrammen vieler Staaten und die Tiefstzinspolitik der Notenbanken undenkbar gewesen wäre. Sie haben das Wachstum zunächst in den Schwellenländern mit China an der Spitze befeuert und dann auch die Industriestaaten aus der Rezession gezogen. Und wie das immer ist mit staatlichen Konjunkturspritzen: sie stoßen die Wirtschaft so stark an, dass die üblichen zyklischen Mechanismen in Gang kommen: der Konsum legt zu, das führt zu einem Schub für den Welthandel und einem erhöhten Aufbau der Lager und schließlich zu mehr Investitionen. Wenn alles gut geht, läuft die Konjunktur wieder auf allen Zylindern. Und bisher ist alles sogar viel besser gelaufen als erwartet, wie die Vielzahl der nach oben korrigierten Prognosen für 2010 zeigt.

Wie aber geht es weiter, wenn der Staat seine stützenden Hände zurückzieht? Ist die Weltwirtschaft so robust, um ohne fremde Hilfe weiter zu expandieren? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Die Pessimisten gehen von vier negativen Effekten aus:
– Erstens einer Normalisierung und später Straffung der Geldpolitik. Mit anderen Worten: die Notenbanken führen zunächst die aufgeblähten Geldmengen zurück und beginnen 2011 mit der Anhebung der Zinsen. Das würde die Konjunktur belasten.
– Zweitens laufen die Konjunkturmaßnahmen der Staaten aus, nach Schätzungen werden drei Viertel von ihnen 2011 nicht mehr wirken.
– Drittens ist der massive Lageraufbau der Unternehmen weitgehend abgeschlossen, und der hat erheblich zum Wachstum beigetragen. Denn die Firmen hatten in der Krise zunächst ihre Vorräte abgebaut – und die mussten sie im Aufschwung schnell aufstocken. Dieser Effekt wird nun sichtbar schwächer.
– Viertens wird der geplante Abbau der untragbaren Staatsverschuldung vor allem  in Europas Problemländern die Konjunktur bremsen.

Die Optimisten sehen all diese Effekte natürlich auch, aber sie schreiben ihnen nur eine verlangsamende Wirkung auf das Wachstum zu. Ihrer Ansicht nach ist die Konjunktur inzwischen so stark und eigenständig – der sogenannte sich selbst tragende Aufschwung -, dass eine Normalisierung der Geld- und Fiskalpolitik die zyklischen Auftriebskräfte nicht umkehren wird. Und sie erwarten, dass die Schwellenländer weiterhin so stark wachsen, dass sie den Industriestaaten trotz deren Schuldenproblemen als Konjunkturloks dienen.

Ausgerechnet auch wegen der Emerging Markets haben die Optimisten in den letzten Monaten jedoch Gegenwind und die Pessimisten Rückenwind bekommen. Denn der Wachstumsmotor China hat erkennbar einen Gang zurückgeschaltet. Auch der überraschend starke US-Aufschwung zeigte Schwächesignale, insbesondere am Arbeitsmarkt und bei den Frühindikatoren.Und das hat zusammen mit der Euro- und Schuldenkrise die Ängste erhöht, nun komme es zu einer Abwärtsspirale, die eine neue Finanzkrise und in ihrem Gefolge eine Wirtschaftskrise auslösen könne. Die Folge war an den Börsen die Flucht aus risikoreichen Anlagen in sichere. Vor allem deutsche und amerikanische Staatsanleihen haussierten deshalb, aber auch Gold war gesucht.

In den letzten Tagen hat sich die Unsicherheit wieder ein wenig gelegt. Zum einen liegt das an einigen erfreulichen Konjunkturdaten, zum anderen an einer leicht veränderten Einschätzung Chinas. Peking hat klar gemacht, dass es ein etwas langsameres Wachstumstempo anstrebt, um eine Überhitzung zu vermeiden. Und so mancher Analyst hat erkannt, dass die Weltwirtschaft nicht zusammenbricht, wenn Chinas Wirtschaft in den nächsten Quartalen nicht mehr um zehn und mehr Prozent zulegt, sondern nur um acht bis neun Prozent. Und da in anderen Schwellenländern die Dynamik ungebrochen ist, dürften die Impulse aus den Emerging Markets nicht gravierend abnehmen.

Es ist deshalb gut möglich, dass die Zuversicht in die Weltkonjunktur wieder wächst. Das gilt vor allem dann, wenn von den EU-Schuldnerstaaten keine Hiobsbotschaften mehr kommen. Dann könnte auch die zuletzt wieder extreme Risikoaversion weichen, sprich die laufende Erholung bei Aktien und Rohstoffen länger anhalten und sehr viel deutlicher ausfallen als es jetzt noch angenommen wird..

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