Nein, in Schleswig Hollstein war das Jahrzehnt zwischen 1999 und 2008 nicht miserabel. Das BIP wuchs zwar nur um 0,2 Prozent. Der Nationale Wohlfahrtsindex NWI legte aber um 9,4 Prozent zu. In Gesamtdeutschland schaffte er gerade mal ein Plus von 3,2 Prozent, obwohl das BIP um 7,4 Prozent zulegte. Das meldete jetzt die Süddeutsche Zeitung, der eine entsprechende Studie vorliegt. Forscher haben sich nämlich Gedanken gemacht, wie die Schwächen der BIP-Messung umgangen werden können. Werden wir also in Zukunft nur noch vom NWI-Wachstum reden?
Die Finanzmärkte dürften die neuen Zahlen wenig beeindrucken. Klar, das BIP hat seine Schwächen. Zum einen liegen sie in der Erfassung. Spätestens seit Erfindung des Internethandels werden viele Geschäfte falsch zugeordnet und die Summe ist ja immer nur so gut wie ihre Einzelteile. Gleichzeitig kann das BIP genauso wenig als ultimatives „Wohlstands-Barometer“ gelten, wie die Produktivität etwas über die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern aussagt. Ein Busfahrer in Kenia etwa, der in der Stunde 200 Menschen transportiert und damit 2 Euro verdient, hat statistisch nur ein zehntel der Produktivität seines deutschen Kollegen, der vier Personen von A nach B bringt, aber 20 Euro die Stunde kassiert.
Und klar ist die Lebenqualität eines Bürgers einer umweltverpesteten, teuren Großstadt nicht unbedingt besser als die eines Bewohners einer netten ländlichen Gegend, nur weil das Pro-Kopf-Einkommen in der Stadt höher liegt als auf dem Land. Doch wer solche Schlüsse zieht, verkannt auch den Charakter der Daten.
BIP, Produktivität & Co sind nämlich reine Finanzkennzahlen. Sie geben Auskunft über die finanzielle Lage einer Region oder Personengruppe und die Veränderungen derselben. Sie sind für Investoren unverzichtbar, für die es eben wichtig ist zu wissen, ob das Produkt A in einem gewissen Land überhaupt einen Markt finden kann, oder ob der Staat mit mehr oder weniger Steuereinnahmen rechnen darf.
Das ist natürlich nicht das einzige Kriterium, nach dem Politik handeln sollte. Insofern ist der Vorstoß der Forscher begrüßenswert, denn einheitliche Daten helfen bei Entscheidungen. Das BIP – so viel steht fest – wird dennoch nicht sterben.
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