Wo EU-Kommission-Präsident José Manual Barroso in Sachen koordinierter Wirtschafts– und Finanzpolitik steht, ist spätestens seit den jüngsten Verhandlungen um den EU-Rettungsschirm klar. Die Starken, so meint Barroso, sollen die Schwachen stützen, auch auf Kosten von Anreizen, sich selber aus dem Schlamassel zu helfen. Doch was die EU-Kommission nach Informationen der Wochenzeitung „Die Zeit“ nun als Positionspapier zum Thema koordinierte Wirtschaftspolitik verfasst hat, schlägt dem Fass den Boden aus.
Werden einzelne Länder wie Deutschland – und wohl bald auch Österreich – zu erfolgreich, sollen sie Maßnahmen treffen, die Ihre Wettbewerbsfähigkeit mindert. Messlatten dafür sollen nach den Plänen der EU-Kommission ein zu hoher Leistungsbilanzüberschuss und zu niedrige Lohnstückkosten werden.
Zugegeben, ich bin ein Fan Europas. Und sehe klar, wie sehr gerade Deutschland von der Einführung des Euro profitiert hat. Denn anders als zu Zeiten der D-Mark werden mehr Effektivität, bessere Produktionsstrukturen und eine solidere Finanzpolitik nun nicht mehr mit Wechselkursveränderungen beseitigt. In Sache Finanzausgleich, jetzt in der Schuldenkrise, stehe ich daher auch den Argumenten derjenigen nicht ganz verschlossen gegenüber, die eine Unterstützung der Krisenländer durch die starken Volkswirtschaften fordern.
Doch die Ideen der Kommission gehen eindeutig zu weit. Sie würden der gesamten EU schaden. Die Logik dahinter: Deutschlands Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit ist zu hoch, auch weil die Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren zu kleine Lohnsteigerungen erhalten haben. Die sind nämlich weniger schnell gestiegen als die Produktivität. Dadurch nimmt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu und damit die Außenhandelsüberschüsse. Warum müssen nun griechische oder irische Arbeitnehmer so lange auf Löhne verzichten, bis ihre Volkswirtschaften ähnlich gut dastehen. Warum sollen wir die starken Länder nicht einfach zwingen, die Ungleichgewichte z.B. durch höhere Bezahlung ihrer Arbeitnehmer abzubauen?
Die Antwort ist ganz einfach: Weil es außer der EU noch andere Regionen in der Welt gibt. Wenn Europa seine wettbewerbsfähigsten Länder drosselt, werden nicht nur andere EU-Staaten davon profitieren, sondern vor allem die Länder außerhalb Europas. Und die Probleme der Region in Sachen Schulden werden dadurch nicht kleiner.
Der grundsätzliche Streit um die zukünftige Zusammenarbeit in Europa erinnert mich ein wenig an die Debatte, die Deutschland seit einigen Jahren in der Bildungspolitik führt. Wie, so lautet die Frage, soll man die Leistungen der Schüler im internationalen Vergleich verbessern? Ist Eliteförderung oder eine Gesamtschule die richtige Antwort? Hier gibt es alle möglichen Standpunkte und gute Argumente für vieles. Auf die Idee, allen Schülern einen Verweis auszustellen, sobald sie in irgendeinem Fach eine Eins schreiben, ist dabei allerdings noch niemand gekommen.
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