Früher war alles einfach: Wenn es in der Innenpolitik knirschte, wurde jenseits der Grenzen ein bewaffneter Konflikt angezettelt – und das liebe Volk war abgelenkt. Kanonenbootpolitik nannte man das. Heutzutage muss man schon zu subtileren Mitteln greifen, zumindest unter so genannten Freunden. Da sind Frankreichs Sozialisten wahre Meister. Nicht die eigene Politik ist schuld an den Wirtschaftsproblemen, sondern – wer eignet sich sonst so gut? – Angela Merkel. Und die wird verbal kräftig vermöbelt.
So schlimm wie die französischen Sozialisten hat wohl selten eine Regierungspartei gegen die Regierungschefin eines Nachbarstaates gehetzt. Da ist in einem offiziellen Parteipapier von egoistischer Unnachgiebigkeit Angela Merkels die Rede, die tödlich sei, da wird gefragt, wann die Kanzlerin endlich anfange, über die Vergemeinschaftung eines Teils der Schulden der Euro-Mitglieder nachzudenken und da wird gejammert, dass Frau Merkel nur an die Sicherheit der deutschen Spareinlagen denke und nicht an die der Franzosen.
In solchen Statements steckt viel Wut, Wut darüber, dass Deutschland es geschafft hat, trotz Eurokrise die Neuverschuldung auf Null zu drücken, die Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren und die Konjunktur einigermaßen am Laufen zu halten. Deutschland hat damit die Versprechungen erfüllt, mit denen Staatschef Francois Hollande die Wahl vor genau einem Jahr gewonnen hat. Aber er kann nicht liefern, weil er die Grundprobleme der Franzosen kaum angepackt sondern anfangs sogar noch vergrößert hat: Abnehmende Wettbewerbsfähigkeit, teurer Sozialstaat, Bürokratismus, hohe Steuern und mangelnder Reformwille. Und jetzt steht er da mit Rekord-Arbeitslosigkeit, Rekord-Staatsverschuldung und akuter Rezessionsgefahr.
Die sozialistische Politik hat die ohnehin prekäre Situation noch schlimmer gemacht. Klar, dass da die Parteigenossen in und um Paris einen dicken Hals bekommen, wenn Deutschland das Geld nicht freiwillig nach Frankreich und in die übrigen Problemstaaten schaufelt. Frau Merkel will einfach nicht kapieren, dass das egoistisch ist. Weil sie die Taschen zuhält, muss Frankreich sparen. Und das ist dummerweise nicht so populär wie Steuern bei Reichen erhöhen und Sozialleistungen großzügig ausweiten. Deshalb hoffen die Sozialisten auch inständig, dass in Deutschland im September Rot-Grün die verhasste Angela Merkel ablöst. Denn die Wahlprogramme der beiden Parteien, das haben die letzten Wochen gezeigt, ähneln sehr denen der französischen Sozialisten vor einem Jahr. Vor allem unterstützen die deutschen Sozialdemokraten Frankreichs Lieblingsidee gemeinsamer Eurobonds, mit denen der erste Schritt in die Vergemeinschaftung der EU-Schulden gemacht wäre. Dann kann man unbeschwert weiter Schulden aufhäufen und das so genannte Spardiktat von Frau Merkel in die Mülltonne treten.
Nach dem Wirbel, den ihre Thesen entfacht haben, wollen Frankreichs Sozialisten nun zwar angeblich ihr Positionspapier überarbeiten und die persönlichen Angriffe auf die Kanzlerin streichen – aber diese Kosmetik kann ihre Absichten nicht mehr vertuschen. Da kann Monsieur Hollande beim nächsten EU-Gipfel noch so charmant mit Angela Merkel umgehen.
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