Seit Monaten warnen Börsenexperten vermehrt vor Crashgefahren. Sie sehen jedoch nicht einmal so sehr die Handelskriege und geopolitischen Konflikte als Auslöser, sondern stützen ihre Ängste vor allem auf einen „Crash-Indikator“ – das Shiller-KGV. Diese Bewertungskennziffer ist für den US-Aktienmarkt auf Werte gestiegen, die nach Ansicht so mancher Börsianer eine gefährliche Überbewertung signalisiert. Sind die Sorgen berechtigt?
Das Shiller-KGV ist vom US-Nobelpreisträger Robert Shiller entwickelt worden. Vom herkömmlichen KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) unterscheidet es sich dadurch, dass es nicht die Unternehmensgewinne eines Jahres zum aktuellen Kurs ins Verhältnis setzt, sondern diejenigen des Durchschnitts der letzten 10 Jahre. Um die Gewinne vergleichbar zu machen, werden sie um die Inflationseffekte bereinigt. Sinn der Sache ist es, zyklische Übertreibungen zu glätten. In den vergangenen Wochen hat das Shiller-KGV für den US-Aktienindex S&P 500 die Marke von 30 Zählern überwunden. Das war für viele ein Alarmsignal. Denn der Durchschnitt der seit 1880 berechneten Shiller-KGVs liegt bei 16,7. Für manche Experten zeigt bereits jeder Wert über 20 Crashgefahren an, andere sehen spätestens oberhalb von 25 klare Ausstiegssignale. Allerdings gibt es gute Gründe, diese Kennzahl nicht überzubewerten. Aus mehreren Gründen:
– Erstens zeigt sie nur die Gewinne der Vergangenheit an. Aktienanlagen sind jedoch Investitionen in die Zukunft – deshalb spielen in der Regel die erwarteten Gewinne des nächsten Jahres oder der kommenden 12 Monate die entscheidende Rolle.
– Zweitens können Aktienbewertungen nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur im Vergleich zu Konkurrenzanlagen. Und da sind Anleihen mit Abstand die wichtigsten. Da aber die Renditen dort seit Jahren historisch niedrig sind und sie in Europa und in Japan bei Staatsanleihen sogar überwiegend unter null Prozent liegen, verdienen Aktien einen kräftigen Bewertungsaufschlag.
– Drittens sind in den letzten 20 Jahren die Bilanzierungsvorschriften erheblich verschärft worden mit der Folge, dass die Unternehmensgewinne nicht mit früher vergleichbar sind.
-Viertens hat der wachstumsstarke Technologiesektor erheblich an Gewicht gewonnen – die KGVs von Apple, amazon, facebook und Co. sind jedoch deutlich höher als in den traditionellen Branchen.
Wer zu einseitig auf das Shiller-KGV setzt, ist auch aus diesen Gründen in letzter Zeit nicht besonders gut gefahren. Er hätte den Großteil der Aktienhausse der vergangenen 10 Jahre verpasst, denn die Kennzahl lag für den S&P 500 die meiste Zeit bei über 20. Crashgefahren gibt es zwar tatsächlich – aber sie werden wohl eher durch politische Konflikte ausgelöst als durch ein überdurchschnittlich hohes Shiller-KGV.
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