6,1 Prozent – so viel hat die chinesische Wirtschaft 2019 nach offiziellen Zahlen zugelegt. So wenig wie seit 30 Jahren nicht mehr. Ein Teil des langsameren Aufstiegs mag an dem Handelskrieg mit den USA liegen. Doch einiges ist auch hausgemacht. Und für die Zukunft drohen gleich mehrere riesige Probleme.
Mit großen Tamtam schlossen die USA und China vor wenigen Tagen ein „Phase Eins“-Abkommen, das eine weitere Eskalation des Handelskrieges zwischen den beiden Wirtschaftsmächten verhindern soll. China importiert mehr US-amerikanische Güter – vor allem Agrarprodukte. Die USA verzichten dafür auf weitere Sanktionen und Strafzölle. Ist die Schwächephase im chinesischen Wachstumspfad damit beseitigt? Vermutlich nicht, denn es gibt gleich eine ganze Hand voll großer Herausforderungen für die Wirtschaft im Reich der Mitte:
- Rivalität mit den USA: Das „Phase Eins“-Abkommen verhindert zwar noch mehr Strafzölle und Absatzprobleme für chinesische Firmen in den USA. Die grundlegenden Streitigkeiten sind aber noch lange nicht vom Tisch. Nicht nur, weil schwierige Themen wie der Schutz des geistigen Eigentums außen vor gelassen wurden. Sondern weil beide Länder in ähnlichen Bereichen die Weltmarktführerschaft anstreben: Künstliche Intelligenz etwa. Neue Streitigkeiten mit wachstumshemmenden Maßnahmen sind also programmiert. Und ganz nebenbei: Die alten Strafzölle, die in der exportierenden Industrie Chinas deutliche Spuren hinterlassen haben, sind nach wie vor in Kraft.
- Verschuldung: Besonders die Staatsunternehmen, aber auch viele private Firmen sind hoch verschuldet – ein erheblicher Anteil bei Schattenbanken, deren Kontrolle besonders schwierig ist. China ist also zum Wachstum verdammt, will es nicht einen Teufelskreis aus Insolvenzen und weiterem Rückgang der Dynamik auslösen.
- Demographie: Die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik ist zwar offiziell aufgehoben, viel mehr Kinder werden aber dennoch nicht geboren. Eine Generation von Einzelkindern wäre jetzt an der Reihe, große Familien zu gründen. Doch sie tut es einfach nicht. Einerseits, weil Chinas jüngere Generation vor allem aufsteigen will und gerade gut gebildete Frauen diesen Traum nicht für mehrere Kinder aufgeben wollen. Andererseits, weil die Erziehung und Ausbildung von Kindern in China ein erheblicher Kostenfaktor ist. Viele wollen oder können sich daher nur ein Kind leisten. Bereits jetzt sind erste Anleihen zu spüren: Das Potential an Arbeitnehmern nimmt ab, die Ausgaben für die Versorgung vieler Älterer nimmt zu. Beides hemmt das Wachstum und die Innovationskraft.
- Umwelt: Solarenergie und Elektroautos – Chinas Industrie steht für vieles, was eine Lösung der Umwelt- und Klimaprobleme verspricht. Doch China heißt auch Kohle als wichtige Energiequelle und Umweltsünden aller Art. Das liegt auch daran, dass in den Regionen nach wie vor viel Korruption vorherrscht, die es Umweltsündern leichter macht. China wird in Zukunft hier viel Geld aufwenden müssen, das anderswo dann fehlt.
- Freiheiten: China digitalisiert sich in atemberaubendem Tempo. Und nutzt das zur totalen Überwachung. Nach dem Social Scoring für Bürger, das Punkte für Wohlverhalten vergibt, gibt es nun ein ähnliches Programm für Unternehmen. Es hat sinnvolle Aspekte und soll unter anderem die Korruption eindämmen, die Unternehmen eine schlechtere Bewertung einbringt. In die Beurteilung mit einfließen soll auch das Verhalten der Geschäftsführer – heißt, wer sich unbeliebt macht, dessen Firma wird künftig bei Steuern, öffentlichen Aufträgen, aber auch Flugbuchungen benachteiligt. Ein System, das Angst verbreitet und vermutlich dazu führt, das eine oder andere Geschäft lieber nicht zu machen.
Keine Frage: China wird weiter aufsteigen. Und gerade in einigen Bereichen der Digitalisierung und KI die wichtigste Nation der Welt werden. Doch ein Selbstläufer ist das noch lange nicht. Und vor allem: Vollkommen unterlegen, wie es manchmal interpretiert wird, ist die westlich geprägte Marktwirtschaft dem chinesischen System nicht.
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