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Bundesschatzbrief adé – Kurzsichtiger Schritt der deutschen Finanzpolitik

„Bundeswertpapiere – die entspannendste Geldanlage Deutschlands“ – mit diesem Slogan und der bebrillten Schildkröte „Günther Schild“ wirbt die Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland für ihre Produkte – noch jedenfalls. Schon bald jedoch müssen die aktuell rund 330 000 Privatkunden der Finanzagentur umdenken und spannende Produkte kaufen.

Inmitten der Staatsschuldenkrise, in der sich gezeigt hat, wie das Wohl und Weh einzelner Staaten davon abhängt, ob die Kapitalmärkte ihre Daumen über ihnen senken oder heben, ausgerechnet in dieser Situation verkündet das Bundesfinanzministerium das Aus für das Privatkundengeschäft der Bundesfinanzagentur, die hier zu Lande für das Staatsschuldenmanagement zuständig ist. Ab 2013 wird der Bund keine neuen Serien von Bundesschatzbriefen und Ausgaben von Finanzierungsschätzen des Bundes mehr auflegen. Gleiches gilt für die Tagesanleihe.

Verbleibende Produkte sind dann die börsennotierten Produkte, insbesondere die zehn- und 30-jährigen Bundesanleihen, fünfjährige Bundesobligationen oder Fremdwährungsanleihen und inflationsindexierte Anleihen. Diese Produkte waren schon bisher nicht direkt über die Finanzagentur erhältlich. Noch im Februar 2012 hatte die Finanzagentur dagegen öffentlich damit geliebläugelt, Sparpläne für Privatanleger aufzulegen.

Wie kommt es zu diesem 180-Grad-Schwenk? Die Bundesregierung argumentiert mit den zu hohen Kosten des Privatkundengeschäft. Außerdem soll es zuletzt weniger als zwei Prozent zur Refinanzierung des Staates beigetragen haben, Tendenz weiter sinkend. Derzeit halten private Kunden rund 8,5 Milliarden Euro auf gut 330.000 Konten. Und Bankenverbänden waren Produkte wie die Tagesanleihe und das Kostenlosdepot für Bundeswertpapiere ohnehin ein Dorn im Auge.

Doch aus meiner Sicht ist der Schritt der Bundesregierung allzu kurzsichtig. Erstens begibt sie sich damit bei der Schuldenfinanzierung auf Gedeih und Verderb vollständig in die Hände der Kapitalmärkte. Das kann gut gehen, muss es aber nicht. Die eigenen Bürger als Gläubiger, wie sie in vielen Ländern, etwa Japan oder auch Italien eine wichtige Rolle spielen, dürften dagegen deutlich länger still halten, wenn es mal weniger gut läuft. Der Schritt, das Privatkundengeschäft einzustellen, ist daher aus meiner Sicht allzu naiv, geradezu dumm. Denn Deutschland kann sich nicht darauf ausruhen, immer als Europas Spitzenschuldner zu gelten. Eine Staatsschuldenquote von mehr als 80 Prozent ist schließlich kein bequemes Ruhekissen.

Hinzu kommt noch etwas: Der Staat hat all die Jahre viel zu wenig dafür getan, die Vermögensbildung, aber auch die finanzielle Allgemeinbildung seiner Bürger zu fördern. Staatlich subventionierte Produkte wie die Riester-Rente sind teilweise zu kompliziert und fördern, je nach Konstruktion, mehr die Provisionseinnahmen der Vermittler, als die Altersvorsorge der Bürger. Jetzt auch noch risikolose Bundesschatzbriefe und Co. abzuschaffen, die einfach und bequem und kostengünstig zu besparen sind, ist in jeder Hinsicht das falsche Signal.

Immerhin bleibt deutschen Privatanlegern noch der Gang nach Österreich. Unter www.bundesschatz.at können EU-Bürger den österreichischen Staat Geld leihen – und immerhin auch etwas höhere Zinsen einstreichen als zuletzt in Deutschland.

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