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Beratungsprotokolle – immer wieder ein Ärgernis für alle Beteiligten

Jeder, der schon einmal ein Protokoll geschrieben hat, kennt das: Ist es zu knapp und rein ergebnisorientiert gehalten, kann man aus dem Geschriebenen nicht nachvollziehen, wie die Entscheidung zustande kam. Ist es dagegen zu ausschweifend gehalten, fällt es schwer, den Wald vor lauter Bäumen zu erkennen. Zudem gilt: Wer schreibt, der kann mit seiner Wort- und inhaltlicher Auswahl lenken, was von einem Gespräch in Erinnerung bleibt. Kurz und gut: Protokolle schreiben ist eine keineswegs triviale, aber verantwortungsvolle Aufgabe.

Anlageberater stehen vor der Herausforderung, täglich womöglich mehrere Protokolle anzufertigen – über Prozess und Ergebnisse ihrer Anlageberatungsgespräche mit ihren Kunden. Banken und Sparkassen unterstützen sie dabei mit mehr oder minder ausgefeilten Ausfüllhilfen inklusive Textbausteine. Seit es die Protokollpflicht gibt, lässt aber keine Seite ein gutes Haar an den Papieren: Zu zeitaufwändig, lenkt von der eigentlichen Beratungsarbeit ab, vergrätzt Kunden, die häufig Beratung suchen und aktiv anlegen, lauten etwa die Argumente der Bankenseite. Zu floskelhaft, schwammig und oft nur nützlich zur rechtlichen Absicherung der Banken und keine echte Hilfe für Verbraucher, argumentieren etwa Verbraucherschützer, aber auch die Finanzaufsicht Bafin. Außerdem werde die Protokollpflicht häufig sogar umgangen.

Genau diesen Punkt bestätigt jetzt eine aktuelle Studie des ITA Instituts für Transparenz veröffentlicht, das das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz veröffentlicht: „Nur in etwa jedem vierten Beratungsgespräch wurde den Testkäufern eine Dokumentation übergeben. Am seltensten erhielten die Testkäufer Dokumentationen von Versicherungsvermittlern, am häufigsten von Honorarberatern“, lautet eines der Kernergebnisse der Autoren, die für die nicht-repräsentative Studie 130 Beratungsgespräche geführt hatten. Die Berater hielten sich häufig nicht an die gesetzlichen Vorgaben und geben in ihren Protokollen wesentliche Gesprächsinhalte gar nicht oder unvollständig wieder. Häufig sähen die Protokolle auch eine Unterschrift des Kunden vor – die das Gesetz aber ausdrücklich gar nicht fordert. Kunden, die unterschreiben, brächten sich womöglich in eine ungünstige rechtliche Situation, warnt das ITA.

„In der Praxis gibt es bei der Beratungsdokumentation offensichtlich große Defizite“, urteilt Heiko Maas, der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz – und kündigt die übliche Vorgehensweise an: Diskussion der Ergebnisse mit Branchenvertretern, Wissenschaft und Verbraucherschützern. „Unser Ziel wird es sein, dass die Beratungsdokumentation ihrer Funktion gerecht wird. Die Beratungsprotokolle sollen qualitativ hochwertige Beratung sicherstellen.“ Unnötige Bürokratie nutzte keinem, so Maas, der sich für praktikable Lösungen stark machen will.

Gut möglich, dass mit nach hohem Diskussionsaufwand die Protokolle künftig stärker standardisiert werden. Aber schreiben muss sie trotzdem noch jemand. Eine naheliegende Lösung wäre es, die Gespräche einfach mitzuschneiden und beiden Seiten auszuhändigen, dann ließen sich die Aufzeichnungen in einem späteren Streitfall auswerten – und nur dann. Das würde vielleicht auch allzu verkaufsorientierte Berater davon abhalten, verbal ein Produkt allzu sehr über den grünen Klee zu loben. Aber ob es soweit kommt, steht in den Sternen.

Verbraucher sind einstweilen gut beraten, sich bei Beratungsgesprächen ihre eigenen Notizen zu machen, aufzubewahren – und mit dem Protokoll zu vergleichen, das der Berater ihnen aushändigt und notfalls zu monieren.

Zum Hintergrund: Die Protokollpflicht bei Banken greift seit 2010, später wurde die Pflicht zum Beispiel auch auf freie Finanzvermittler, die etwa geschlossene Fonds verkaufen, ausgedehnt. Die Protokolle sollen insbesondere den Anlass und die Dauer der Beratung, die persönliche Situation des Kunden, seine Wünsche und die Empfehlungen der Bank mitsamt Begründung wiedergeben. Schon im Mai 2010 hatte die Finanzaufsicht Bafin moniert, dass die Protokolle oft Textbausteine und Floskeln enthalten – und häufig sogar gegen geltendes Recht verstoßen. Auch Verbraucherschützer kritisieren die Papiere seit langem und sorgen sich darum, dass sie eher den Banken als rechtliche Absicherung als den Verbrauchern nutzen.

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