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Autos, CDs und Steuern

Als ich gestern Abend die neue „Elster“-Software des Finanzbehörden in Bayern heruntergeladen habe, stieß ich auf etwas, was mich zunächst schmunzeln ließ: Die bayerischen Finanzämter veranstalten eine Verlosung unter allen Bürgern, die ihre Einkommensteuererklärung bis zum 31.Mai elektronisch abgeben. Gewinnen kann man ein Auto – vom Finanzamt! Das ist sicher sinnvoll, denn schnelle und vor allem selbst eingegebene Steuerdaten sparen dem Fiskus erheblichen Aufwand – und damit Steuergelder. Der ausgeschriebene Preis ist also eine Investition. Ist es denn auch eine Investition, wenn der Fiskus eine CD mit geklauten Schweizer Konto-Daten für 2,5 Millionen Euro kaufen will? Die Informationen darauf sollen rund 100 Millionen Euro Nachzahlungen von mehr oder weniger reuevollen Steuersünder generieren. Ein gutes Geschäft?

Sicher. Aber auch eines, das wir als Bürger gutheißen können? Es gibt wohl kaum jemanden, der die „dicken Fische“ nicht zur Beteiligung an der Finanzierung von Schulen, Straßen, Arbeitslosenversicherung und, ja, auch an den Kosten von Regierung und Verwaltung heranziehen möchte. Andererseits befinden wir uns alle inzwischen in verschiedenen Datensätzen, mit unserem halben Leben. Was also, wenn das Finanzamt künftig die Daten von Anbietern im Internet kauft und daraus hervorgeht, dass Herr Müller ein Buch kurz vor Weihnachten gar nicht in sein Büro, sondern an seine Tante Martha hat liefern lassen. Und das Frau Meier kurz vor Buchung ihrer Geschäftsreise nach Afrika eine 5-tägige Safari gebucht hat?

Eine Horrorvorstellung. Andererseit ist das „Steuergestalten“ inzwischen ein Hobby sämtlicher Bundesbürger geworden. Der Staat hat die verfassungsgemäße Pflicht alle gleich zu behandeln. Und muss daher dafür sorgen, dass nicht nur der kleine Angestellte, sondern auch der vermögende Privatmann mitzahlt. Um ehrlich zu sein: Ich bin froh, dass ich über den Umgang mit der Kontendaten-CD nicht entscheiden muss, denn ich finde die Abwägung sehr schwierig. Wenn ich müsste, würde ich das Ding nach ein paar schlaflosen Nächten wahrscheinlich kaufen und ein dummes Gefühl dabei behalten. Das Auto würde ich aber auf jeden Fall verlosen – und ordentlich Werbung dafür machen.

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Politik
2 Kommentare
  1. Wie so häufig bei besonders umstrittenen politischen Entscheidungen, wird wohl das Bundesverfassungsgericht erst die heikle Frage entscheiden, ob Daten, die eigentlich widerrechtlich erlangt wurden, in einem Steuerstrafprozess überhaupt verwendet werden dürfen. Bei den Verfassungshütern ist offenbar unter dem Aktenzeichen 2 BvR 2101/09 ein Verfahren anhängig.

    Im übrigen bleibt der Bundesregierung vorerst fast kein anderer Ausweg, als die CD zu kaufen. Denn wie wäre es zu rechtfertigen, dass der Bundesnachrichtendienst in der Affäre um gestohlene Kontodaten aus Liechtenstein vor ein paar Jahren zugriff, um es jetzt nicht mehr zu tun? Sie würde sich politisch nur dem Vorwurf aussetzen, wieder einmal die Klientel der "Besserverdienenden" zu schützen – ein Vorwurf, den sie gewiss nicht schon wieder hören möchte.

  2. Liebe Frau Baur, als ich Ihre Ausführungen las, musste ich zunächst schmunzeln. Leider lebe ich nicht in Bayern, sondern in NRW und wir arbeiten schon länger mit Elster. Das war's dann mit dem Auto vom Finanzamt. Beim weiteren lesen wurde es ernst – man oh man: welche gesellschaftspolitische Dimensionen tun sich auf! Und Ihren letzten Absatz fand ich klasse – ich würde wahrscheinlich genau so reagieren und fühlen.

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