In der vorigen Woche hat die Spitze der US-Notenbank Fed erstmals auf die stark steigende Inflation reagiert und die Zinswende signalisiert. 2023 soll es soweit sein. Noch im März hatten die Notenbanker 2024 als Beginn der Zinswende prognostiziert.
Immer mehr Experten haben der Fed in den letzten Wochen vorgeworfen, den steilen Anstieg der US-Inflation nicht ernst genug zu nehmen. Aber nun hat die Notenbank zugegeben, dass der Preisanstieg stärker ist als sie erwartet hatte. Und sie hat ihre Inflationsprognose für 2021 gleich um einen vollen Prozentpunkt von 2,4% auf 3,4% angehoben. Für 2022 und 2023 hat sie die Voraussage jedoch nur um jeweils einen Zehntel Prozentpunkt erhöht – auf 2,1% bzw. 2,2% . Fed-Chef Jerome Powell und seine Kollegen im Offenmarktausschuss FOMC bleiben damit im Prinzip bei ihrer Auffassung: Dass der Inflationsschub nur temporär sei und sich der Preisanstieg ab 2022 wieder in der Nähe der Zielmarke von 2% bewegen wird.
Die Liquiditätsschwemme bleibt – vorerst
Für die Finanzmärkte wichtig ist, dass die Fed ihre Anleihekäufe bei monatlich 120 Milliarden Dollar belassen wird. Nach der Aussage in der Pressemitteilung wird sie diesen Betrag bei Bedarf sogar erhöhen. Die Liquiditätsschwemme bleibt also den Finanzmärkten und der Wirtschaft noch eine Weile erhalten. Allerdings rätseln die Experten, wie lange das in diesem gewaltigen Ausmaß sein wird.
Denn klar ist: Bevor die Fed die Zinswende einleitet, muss sie damit anfangen, ihre monatlichen Anleihekäufe nach und nach zurückfahren. Das heißt, sie muss also das so genannte Tapering zu beginnen. Und das könnte dann eine kritische Zeit für die Finanzmärkte werden. Um die Unsicherheit möglichst gering zu halten, wird die Fed vermutlich noch in diesem Jahr einen Fahrplan vorlegen. Der besagt wie schnell und ab wann sie die Liquiditätszufuhr drosseln will. Aber klar ist auch: Die Fed wird die Liquidität in den nächsten Jahren nicht reduzieren, sondern nur deren Zuwachs etwas langsamer gestalten. Geld wird also weiterhin in Hülle und Fülle vorhanden sein.
Der Dollar ist der größte Gewinner der angekündigten Zinswende
Die Aktienbörsen haben auf die veränderten Fed-Prognosen und die Aussagen Powells nach der Sitzung zunächst zwar nur leicht negativ reagiert. Zum Wochenschluss haben sie dann doch noch deutliche Verluste verzeichnet. Am US-Rentenmarkt dagegen ist die Rendite der 10jährigen Staatsanleihen zunächst von 1,49% auf 1,57% geklettert, ist dann aber wieder auf das Ausgangsniveau zurückgefallen.
Angesichts einer US-Inflationsrate von 5,0% im Mai sind 1,55% allerdings eine lausige reale Verzinsung von minus 3,5%. Da schmilzt die Kaufkraft des angelegten Kapitals schnell dahin. Am meisten profitiert hat der Dollar, weil sein Zinsvorsprung zu Euro mittelfristig weiter steigen wird. Der Euro-Kurs ist deshalb deutlich unter die 1,20-Dollar-Marke gefallen. Für die europäische Exportwirtschaft ist das allerdings eine gute Entwicklung, weil das ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert.
Gravierende Auswirkungen der veränderten Fed-Linie sind an den Aktienmärkten vorerst kaum zu erwarten. Die Kursschwankungen werden zwar wohl stärker werden, aber ungeachtet der signalisierten Zinswende ab 2023 wird die Geldpolitik – nicht nur die der USA – zunächst weiter für Rückenwind sorgen. Und die Konjunkturprogramme in den USA, Europa, Japan und vielen Schwellenländern werden die Wirtschaft zusätzlich zu den positiven Wirkungen der Corona-Lockerungen noch eine Weile kräftig anschieben.
Kommt die Zinswende zu spät?
Die größte Gefahr birgt ein möglicher Vertrauensverlust der Märkte in die Fed. Denn die Inflation könnte weiterhin schneller und stärker steigen als von den Notenbankern angenommen. Dann könnte sich die Meinung durchsetzen, dass die Fed den Preisanstieg zu spät bekämpft und die Inflation dann nur noch mit drastischeren Maßnahmen eingedämmt werden kann.
Die Fed hat ja, anders als die EZB, das doppelte Mandat – für Preisstabilität zu sorgen und gleichzeitig für eine geringe Arbeitslosigkeit. Dass sich beides nicht immer vereinen lässt, hat die Vergangenheit oft genug gezeigt. Anleger sollten deshalb die Inflationsentwicklung nicht nur in den USA mit Argusaugen beobachten, sondern auch jede Aussagen von Fed- und EZB-Notenbankern in den kommenden Wochen genau unter die Lupe nehmen.
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