Eigentlich ist es ja kein richtiger Nobelpreis – der für Wirtschaftswissenschaften. Denn er wurde nicht von Alfred Nobel sondern nachträglich von der Schwedischen Reichsbank lanciert. Dennoch hat er enorme Signalwirkung. In diesem Jahr jubelt eine bisweilen verlachte Disziplin der Wirtschaftswissenschaften – die so genannte Glücksforschung – die immer mehr Anerkennung bekommt und verdient.
Die Portfoliotheorie, spieltheoretische Ansätze oder das Black-Scholes-Modell für die Bestimmung des Wertes von Optionen – das meiste was die königliche Akademie der Wissenschaften in der Vergangenheit eines Nobelpreises für würdig hielt, zeichnete sich vor allem durch eines aus: Es war mathematisch kompliziert und sehr theoretisch.
In diesem Jahr geht der Preis an Angus Deaton, einen Wissenschaftler mit englischen und US-amerikanischen Pass, dessen Arbeit so gut wie jeder verstehen kann. Er sucht Erkenntnisse, indem er schlicht die betroffenen Menschen befragt und daraus Handlungsempfehlungen für die Politik erarbeitet. Die Methode setzte er unter anderem bei armen Menschen in Indien ein und kritisiert seither die klassische Entwicklungshilfe.
Damit repräsentiert Deaton eine neue Disziplin innerhalb der Wirtschaftswissenschaftler: Die Glücksforscher. Es mag an dem unseriös klingenden Namen liegen, dass die Wirtschaftswissenschaften diese neue Denkrichtung bislang eher belächelt haben. Eine Rolle spielt sicher auch, dass sie die Wirtschaftswissenschaften eher als soziologische und weniger als mathematisch-exakte Disziplin interpretiert – für so manchen Professor der alten Schule vielleicht eine Degradierung.
Doch meiner Meinung nach liegen die Glücksforschung damit goldrichtig. Denn das Verhalten von Menschen – und nichts anderes ist Wirtschaft – in mathematische Formeln zu pressen wird der Realität nicht gerecht. Weil die Menschen eben nicht immer nur nach mehr Geld oder Gütern streben, und nur selten rational entscheiden, stimmen die Grundannahmen der klassischen Volkswirtschaft oft nicht und damit sind auch die Ergebnisse falsch. Wie zum Beispiel die Erkenntnis, dass weitgehend frei agierende Finanzmärkte mehr Wohlstand für alle schaffen – das Experiment endete mit der Finanzkrise 2007.
Mehr verstehen und besser politisch handeln – das ist mit den soziologischen Methoden der Glücksforschung möglich. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein Fan davon und ihr „Zukunftsdialog“ mit Bürgern ein erster Versuch, die Idee in die Praxis umzusetzen. Wie das noch besser und effizienter gehen könnte, werden uns Glücksforscher sicher sagen, wenn wir sie forschen lassen.
Bleibt also zu hoffen, dass der Nobelpreis die Disziplin weiter nach vorne bringt. Denn einige schöne Erkenntnisse verdanken wir ihr bereits. Zum Beispiel die des frischgebackenen Nobelpreisträgers Deaton, dass Geld tatsächlich nicht glücklich macht, wenn man erst einmal ein bestimmtes Niveau erreicht hat. Er fand 2010 heraus, dass Menschen ab einem Einkommen von 75.000 Dollar mit noch mehr Geld kein bisschen glücklicher werden.
Ja, wahrscheinlich liegt es am Namen, dass die Glücksforschung bislang nicht richtig ernst genommen wurde. Dabei ist das doch so ein interessantes Feld.
Gerade der Irrglaube "je mehr Geld ich habe, umso glücklicher bin ich", ist immer noch weit verbreitet. Mehr Geld bedeutet zwangsläufig mehr arbeiten und das wiederum hat einen schlechten Einfluss auf die Work-Life-Balance. Denn wenn Beruf und Freizeit nicht im Einklang miteinander sind, erhöht sich der Stress und dieser wiederum mindert das Wohlbefinden (Glücksgefühl). Es sollte in diesem Bereich mehr geforscht werden. Zufriedenheit steigert die Effektivität beim Arbeiten, was sich dann positiv auf die Wirtschaft auswirkt – mal ganz vereinfacht formuliert.