Wer gedacht hat, die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway in Omaha wird sentimental und alles dreht sich um Warren Buffetts Nachfolge, hat sich gründlich geirrt. Der 81-jährige Buffett und sein 88-jähriger Partner Charlie Munger präsentierten sich in Bestform, obwohl Buffett vor kurzem eine Prostatakrebs-Diagnose bekannt gab. Mehr noch: Auch die Firma ist in guter Form, der Gewinn im ersten Quartal 2012 hat sich mehr verdoppelt.
„Buffett hat es noch voll drauf“, sind sich die Journalisten einig und titeln föhliche Botschaften in die Welt: Berkshire boomt, also ist Buffett nicht ernsthaft krank. Beides ist zwar richtig, die Causaltiät aber falsch. Denn ja, Berkshire hat ein erstklassiges Quartalsergebnis hingelegt – es wäre aber so oder so ähnlich auch ohne Buffett ausgefallen. Die Industrieunternehmen machen gute Geschäfte, und das ist ihren jeweiligen Managern zu verdanken. Denn Warren Buffett mischt sich nie in die Führung der Tochterunternehmen ein. Die Versicherungssparte wirft richtig gute Gewinne ab, weil es im vergangenen Jahr eben keine Tsunamis, Erdbeben oder großen Terroranschläge gab.
Und dass die „Derivatessparte“ gut läuft, wie ein Journalist schreibt, hätte jeder schon vor der Bekanntgabe der Quartalszahlen wissen können. Buffett hält einige sehr langfristige Kontrakte auf drei große Indizes, mit denen er seinen Kontrahenten quasi eine Versicherung auf einen wirtschaftlichen Kollaps schreibt. Fallen die Kurse an den Weltbörsen, sorgt die vorgeschriebene Abschreibung auf diese Papiere für Bilanzverluste, steigen sie, gibts Gewinne – so einfach ist das.
Buffetts Verdienst ist es, Berkshire so konzipiert zu haben, dass die Gewinne fröhlich sprudeln können und dass der Konzern locker selbst mehrere schlechte Quartale wegstecken kann. Auch wenn die Journalisten dann wieder schreiben: „Buffett hat sich verzockt“. Eins ist aber klar: Ich habe ihn selten so fröhlich und dynamisch erlebt wie in diesem Jahr – auch nach stundenlangem Fragenbeantworten auf der HV. Todkrank ist dieser Mann ganz sicher nicht, er kann also weiter an der hohen Ertragskraft von Berkshire basteln. Die nicht so schnell verschwinden wird, ganz egal, wer den Konzern leitet.
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Interessant ist vor allem Buffetts aktuelle Lageeinschätzung nach den Wahlen in Griechenland und Frankreich: "Es wird für Europa sehr schwer werden, die Probleme zu lösen", sagte er gegenüber CNBC. Er traue sich keine Prognose zu, wo Europa in zwei oder drei Jahren stehe: "Ehrlich gesagt, weiß ich die Antwort nicht."
Sandro Valecchi