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Neue Sparkassen-AGBs – viel Ärger um einen alten Hut

Die Sparkassen haben ihren Kunden neue Allgemeine Geschäftsbedingungen zugeschickt. Darin verpflichten sie ihre Kunden zum Provisionsverzicht bei Bestandsvergütungen für Fonds. Ein Aufreger für viele Verbraucherschützer. Doch auch andere Banken haben längst ihre AGBs geändert. Den Kunden fehlen also die Alternativen. Was steckt hinter dem Streit?

Es geht um Betrag von schätzungsweise zwei bis drei Milliarden Euro, schätzen Verbraucherschützer – die genaue Summe ist unbekannt. So viel dürften Banken in Deutschland jährlich an so genannten „Vertriebsfolgeprovisionen“ oder Bestandsprovisionen dafür kassieren, dass ihre Kunden Investmentfondsanteile in ihren Depots liegen haben. Etwas ketzerisch gesagt, könnte man sagen, die Banken kassieren eine Provision fürs Nichts-Tun außer dem Verwahren der Anteile – oder fürs Verhindern, dass der Kunde den Anteil verkauft. Denn für den Verkauf haben sie in vielen Fällen bereits Ausgabeaufschläge kassiert – bei Filialbanken sind es bei Aktienfonds noch heute gut und gerne um die fünf Prozent auf den Kaufpreis, bei Onlinebrokern sind eine Ermäßigung von 50 Prozent und Mehr die Regel. Oder der Kunde erwirbt Fonds gleich über die Börse und zahlt lediglich die herkömmlichen Orderspesen.

Hintergrund ist aber auch, dass die Bestandsprovisionen für die Banken eine wichtige Quelle sind, ihre Dienstleistungen kostengünstig oder auch umsonst anbieten zu können. Kostenlose Depots oder Girokonten sind gerade bei Direktbanken heute fast so etwas wie der Standard. Da Banken keine Wohltätigkeitsvereine sind, müssen diese Kosten natürlich irgendwie gedeckt werden. Und dazu tragen die Provisionen mit bei.

Doch hinter der aktuellen Diskussion steht ein Richtungsstreit: Verbraucherschützer sind seit längerem der Meinung, dass diese Provisionen nicht den Banken, sondern den Fondsanlegern selbst zustehen. Fakt ist, dass beide Mifid-Richtlinien, die so etwas wie das Grundsgesetz für den Wertpapierhandel in Europa darstellen, nicht komplett verbieten, dass Fondsgesellschaften Banken oder anderen Vermittlern Bestandsprovisionen zahlen – auch wenn es in einigen EU-Ländern wie etwa Großbritannien mittlerweile ein Provisionsverbot gibt.

Fakt ist auch, dass die Banken zur Offenlegung verpflichtet werden. Ein Privatanleger kann sich also an seine Bank wenden und verlangen zu erfahren, wie viel sie an Bestandsprovisionen auf seinen Depotinhalt von Fondsanbietern erhalten hat. Wie aus Branchenkreisen zu hören ist, macht von diesem Recht allerdings fast kein Kunde Gebrauch.

Und drittens ist Fakt, dass es hierzulande nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob diese Provisionen nicht vielleicht doch den Kunden zustehen könnten. Aufgrund dieses rechtlichen Risikos haben bereits in der Vergangenheit etliche Banken ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. die Bedingungen fürs Wertpapiergeschäft geändert und lassen sich die Bestandsprovisionen herausgeben. Insofern verwundert es, dass der Schritt der Sparkassen, die mit der AGB-Änderung nicht gerade früh dran sind, für so viel Empörung sorgt. Eines von etlichen Beispielen ist etwa die Postbank.
So liest sich das Thema bei der Postbank in der „ Information über den Umgang mit Interessenkonflikten.“

Darin heißt es beispielsweise: „Darüber hinaus erhält die Deutsche Postbank AG von den Fondsgesellschaften Vertriebsfolgeprovisionen. Diese werden von den Fondsgesellschaften aus den von ihnen vereinnahmten Verwaltungsvergütungen an die Deutsche Postbank AG gezahlt. Die Vertriebsfolgeprovisionen werden auf Grundlage des jeweils von der Deutsche Postbank AG verwahrten Anteilsbestandes je Fonds berechnet.“ Auch andere Filial- und Direktbanken haben solche Regelungen. So liest sich die Passage etwa bei Deutschlands größter Direktbank ING-Diba in den „Grundsätzen zur Vermeidung von Interessenskonflikten“. Sie liefert gleich auch die Begründung mit, weshalb laut Mifid diese Art von Provisionen vereinnahmt werden dürfen:


„Im Zusammenhang mit der Erbringung von
Wertpapierdienstleistungen kann die ING-DiBa Zuwendungen von ihren
Handelspartnern erhalten. Hierzu gehören volumenabhängige Vergütungen, die von
Produktgebern aus den von ihnen vereinnahmten Verwaltungsgebühren und
Ausgabeaufschlägen an uns gezahlt werden, sowie Platzierungsgebühren bei
Neuemissionen von Wertpapieren. Darüber hinaus vereinnahmen wir transaktionsabhängige
Zuwendungen im Zusammenhang mit der börslichen und außerbörslichen
Auftragsausführung. Die Vereinnahmung dieser Zahlungen und Zuwendungen dient
der Bereitstellung effizienter und qualitativ hochwertiger Infrastrukturen für
den Erwerb und die Veräußerung von Finanzinstrumenten und ermöglicht ein
umfassendes Produkt- und Informationsangebot zu günstigen Preisen. Den Erhalt
oder die Gewährung von Zuwendungen legen wir unseren Kunden offen. Einzelheiten
hierzu werden wir Ihnen auf Nachfrage mitteilen.“

Aktuell führen also viele Sparkassen neue Bedingungen ein. Ihre Kunden haben zumeist noch bis zum 15. April Zeit, dagegen Widerspruch einzulegen. „Wenn sie nichts tun, akzeptieren sie den Verzicht auf alle Provisionen auch in der Zukunft“, darauf weisen die Stiftung Warentest und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hin.  Sie empfehlen, „Sparkassenkunden sollten die Folgen der AGB-Änderung für sich abwägen und Alternativen zum Angebot der Sparkassen prüfen“. Die Verbraucherzentralen stellen einen Musterbrief für den Widerspruch zur Verfügung.

Doch dieser Rat stößt auf praktische Probleme: Kunden, die die AGB-Änderung ihrer Sparkasse nicht hinnehmen wollen, stehen nämlich vor der Schwierigkeit, überhaupt eine Bank am Markt zu finden, die die Provisionen nicht vereinnahmt. Viele andere Banken haben solche AGB-Änderungen nämlich bereits in der Vergangenheit längst vollzogen. Denn darauf fußt das Geschäftsmodell der allermeisten Banken hierzulande – ein Umstand, den Verbraucherschützer grundsätzlich kritisieren, weil ihrer Meinung nach das provisionsbasierte Vertriebsmodell häufig verhindert, das Kunden eine passende Beratung bekommen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert daher ein konsequentes Provisionsverbot. „Vertriebsvergütungen erzeugen einen Interessenkonflikt und sind unbestrittene Ursache für massenhafte Fehl- und Falschberatungen. Verbraucher müssen die Wahl haben zwischen solider Beratung und reinem Verkauf“, sagt etwa Dorothea Mohn vom vzbv. Die Bankenlobby sieht das naturgemäß grundsätzlich ganz anders.

Eine Alternative bietet natürlich die Honararanlageberatung, die in Deutschland aber noch immer ganz am Anfang steht. Wenn man sich derzeit die sehr überschaubare Liste aller nach dem neuen Recht zugelassen Honoraranlageberater bei der Finanzaufsicht Bafin anschaut, finden sich bis dato genau zwei Banken darauf: Die Quirin Bank sowie die Consorsbank, die allerdings auch herkömmliches Wertpapiergeschäft nach dem Provisionsmodell anbietet – und sich in diesem Geschäftszweig ebenfalls die Bestandsprovisionen abtreten lässt. Darüber hinaus dürfte es noch vereinzelte Banken geben, die ihre AGB-Klauseln in der Frage des Herausgabeanspruchs der Provisionen noch nicht wasserdicht gemacht haben. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit, bis sie reagieren werden.
Kunden, die den Rat der Verbraucherschützer umsetzen wollen, stehen also vor der Frage, wohin sie wechseln können!

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