Meine Lieblingsaktie für 2011 gibt es eigentlich gar nicht – als überzeugter Anhänger einer möglichst breiten Streuung der Investments gefallen mir immer mehrere Aktien sehr gut. Aber für eine muss ich mich ja entscheiden – und da habe ich die Sberbank gewählt, die mit Abstand größte russische Bank.
Warum ausgerechnet ein russisches Investments? Weil dieser Aktienmarkt der am niedrigsten bewertete unter allen großen Börsen ist, und weil das Riesenreich als weltgrößter Rohstoffproduzent besonders stark vom Aufschwung der Commodity-Märkte profitiert. Russlands Börsen sind bei den Anlegern allerdings nicht gerade beliebt, weil die Regierung unberechenbar ist und die Rechtsprechung kaum internationalen Normen entspricht. Zudem stehen immer noch zu viele Unternehmen unter Staatseinfluss. Aber da soll sich ab 2011 viel ändern. Moskau will eine groß angelegte Privatisierung starten und rund 60 Milliarden Dollar einnehmen. Die Regierung wird, um potenzielle Investoren nicht zu verschrecken, alles daran setzen, ein wirtschafts- und investorenfreundlicheres Klima zu schaffen. Zudem soll mit der Privatisierung die breite Bevölkerung, die bisher kaum in Aktien anlegt, an die Börse herangeführt werden. Gute Voraussetzungen also für ein gutes Marktklima im Jahre 2011 und danach.
Warum aber soll die Sberbank Rossii, wie sie offiziell heisst, davon besonders begünstigt werden? Aus mehreren Gründen: Zum einen, weil sie als frühere staatliche Sparkasse zu den Kandidaten für eine Privatisierung zählt. Noch hält die russische Notenbank 57,58 Prozent. Der Anteil soll aber auf knapp über 50 Prozent reduziert werden. Das Interesse von Groß- und Kleinanlegern ist angeblich schon jetzt beachtlich. Die Sberbank profitiert auch noch auf andere Weise von den Privatisierungen. Sie zählt zu den Instituten, die die Deals abwickeln helfen sollen. Das spült Provisionen in die Kassen.
Die Sberbank ist ein Rieseninstitut. In knapp 19.000 Filialen werden rund 300 Millionen Konten betreut – mehr als dreimal so viel wie Deutschland Einwohner hat. Das Institut ist eine Spar- und Kreditbank alter Prägung und verwaltet 48 Prozent aller russischen Spareinlagen und 32 Prozent aller privaten und 31 Prozent aller geschäftlichen Kredite. Und da die Kunden mit dem wieder stärkeren Wirtschaftswachstum – die Prognosen für 2011 liegen zwischen 4,0 und 5,5 Prozent – mehr sparen und konsumieren, ist eine Expansion der Geschäfte programmiert. Hinzu kommt, dass die Zahl der faulen Firmenkredite bereits 2010 deutlich gesunken ist, weshalb die Erträge steil in die Höhe geschnellt sind. In den ersten elf Monaten stiegen sie vor Steuern von 24,3 auf 189,7 Milliarden Rubel. 2011 peilt Unternehmenschef German Gref ein neues Rekordergebnis an.
Apropos Gref: Er gilt als Glücksfall für die Sberbank. Der deutschstämmige ehemalige Wirtschaftsminister (der übrigens im jüngsten Chodorkowski-Prozess für den Angeklagten aussagte) hat glänzende Kontakte in die Politik und ist im In- und Ausland auf Grund seiner liberalen Haltung und seiner Kompetenz hoch geachtet. Immerhin ist die Sberbank nach einer aktuellen Umfrage die angesehenste öffentliche Institution in Russland und hat auch die Finanzkrise mit ihrem dicken Eigenkapitalposter gut, sprich ohne Verlustjahr, überstanden.
Das sind glänzende Voraussetzungen, um jetzt das Wachstum wieder zu beschleunigen. Gref will die Chancen des Riesenfilalnetzes stärker nutzen und zudem im Ausland expandieren. Gleichzeitig wird der Sparkurs fortgesetzt. Das verspricht nicht nur 2011, sondern mehr noch in den Jahren danach hohe Zuwächse beim Gewinn – und ein entsprechend starkes Interesse der ausländischen Anleger, die bereits 32 Prozent des Kapitals besitzen. Aber auch die inländischen Investoren sollen mit guten Zahlen und besseren Rahmenbedingungen seitens der Regierung angelockt werden.
Die Aktie der Sberbank (WKN A1C24L) ist angesichts dieser Aussichten (nebenbei gilt sie als Topgewinner der Fußball-WM 2018, da sie den Großteil der Investitionen finanzieren dürfte) und eines KGVs von erwarteten 8,0 bis 8,5 für 2011 vor allem für langfristige Anleger hochinteressant. Sie sollten allerdings vorübergehende starke Rückschläge verdauen können. Die Aktie schwankt oft heftig. Das hat sich auch nach der Bekanntgabe der Elfmonatszahlen kurz vor Weihnachten gezeigt. Seither ist der Kurs um gut zehn Prozent auf 315 Euro geklettert. Vor einem Einstieg sollten Anleger besser eine Korrektur abwarten oder mit etwas tieferen Limits arbeiten – auch weil die russischen Börsen erst ab 11. Januar wieder öffnen und der Handel deshalb vorerst relativ dünn sein wird. Der Autor besitzt die Sberbank-Aktie seit fast zwei Jahren.
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