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Fall Prokon – Dubiose Vertriebsmethoden am grauen Kapitalmarkt

Es ist ja keineswegs so, als hätte es nicht schon seit Jahren mahnende und warnende Stimmen gegeben. Doch nun bangen mehr als 75 000 Anleger, die in Genussrechte der strauchelnden Prokon investiert haben, um ihr Geld. Der Fall Prokon zeigt, dass der graue Kapitalmarkt weiterhin hohe Risiken birgt – und der Gesetzgeber es sehenden Auges versäumt hat, Regelungslücken zu schließen.

In einem Schreiben fordert Prokon seine Anleger auf, auf Zinszahlungen zu verzichten und Kündigungen von Genussrechten zu verschieben oder zurückzunehmen – und dem Unternehmen zu vertrauen. Verbraucherschützer warnen eindringlich davor. Und diese Warnungen sollte man sehr ernst nehmen.

Kritische Stimmen, die vor Anlagen in den Prokon-Genussrechten gewarnt haben, gibt es schon lange. Nach Einschätzung von Verbraucherschützern eignet sich die Produktgattung weder zur Altersvorsorge noch zum Aufbau von finanziellen Reserven, sondern allenfalls zur Anlage von „Spielgeld“. Denn die kaum regulierten Produkte sind mit erheblichen Risiken für Anleger behaftet.

Bereits im Herbst 2011, als es um die Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts ging, kritisierten Verbraucherschützer wie Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, dass gravierende Regelungslücken auf dem schwach regulierten Grauen Kapitalmarkt verbleiben – und nannte Prokon damals als negatives Beispiel. Das Gesetz, das seit 1.Juni 2012 schrittweise in Kraft trat, sollte nach Willen des Gesetzgebers den Wildwuchs auf dem Markt der Finanzdienstleistungen ein Ende bereiten und auch den Vertrieb von dubiosen Produkten des Grauen Kapitalmarkts erschweren sollte.

Ausgerechnet der Fall  Prokon wirft nun gut zwei Jahre später ein Schlaglicht darauf, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde – und die Verbraucherschützer mit ihren Bedenken recht behalten haben. Die Mißstände, die schon damals bemängelt wurden, fallen dem Gesetzgeber jetzt auf die Füße.

Eine problematische Regelungslücke des Gesetzes sorgte nämlich dafür, dass der Direktvertrieb von fragwürdigen Produkten weiterhin ohne Beratungs- und Dokumentationspflichten und Sachkundenachweis der Berater möglich. Schon im Herbst 2011 wies Nauhauser in diesem Zusammenhang auf Prokon hin, da das Unternehmen über verschiedene Kommunikationswege für eine Geldanlage in Genussrechte warb. Da die Gesellschaft ohne Vermittler ihre Produkte direkt vertreibt, musste sie die in der Gesetzesnovelle vorgeschriebenen Beratungs- und Dokumentationspflichten nicht beachten. Auch der neu eingeführte Sachkundenachweis für Vermittler griff daher bei Prokon ins Leere.

Für die Aufsicht über die Vermittler von Beteiligungsangeboten sind außerdem die regionalen Gewerbeaufsichtsämter zuständig und nicht die Bundesfinanzaufsicht Bafin. Diese „Atomisierung der Überwachung“ verhindere aber, die Muster zweifelhafter Vertriebsmethoden zu erkennen und gegen sie vorzugehen, klagte schon damals Nauhauser. Regionale Massenveranstaltungen von dubiosen Produktanbietern werden von dieser Aufsicht nur vereinzelt wahrgenommen. Zudem ändere der Sachkundenachweis nichts an den werbepsychologisch geschickten Verkaufsgesprächen, die Aufklärung oft nur suggerierten und in denen es nicht darum gehe, tatsächlich den Bedarf des Kunden zu ermitteln. „Eine zentrale Zusammenführung von Erkenntnissen aus der Aufsichtstätigkeit ist damit nicht sichergestellt, Misstände bleiben auf diese Weise viel länger unentdeckt als bei einer zentralen Aufsicht.

Der Fall Prokon zeigt schlaglichtartig, dass der graue Kapitalmarkt ausgerechnet im hoch regulierten Deutschland noch immer ein Tummelfeld für dubiose Anbieter ist. Für Anleger ist jetzt guter Rat teuer. Doch er zeigt auch, dass so mancher Anleger immer noch sein Gehirn ausschaltet, wenn irgendein Anbieter acht Prozent Rendite in Aussicht stellt. Mahnende Informationen dazu gab es: So hat etwa Finanztest, mittlerweile fast das einzige verbliebene Medium, das regelmäßig über Anbieter zweifelhafter Couleur berichtet, schon länger vor Anlagen in den Prokon-Genussrechten gewarnt. Diese Warnungen sollte wirklich jeder Geldanleger ernst nehmen, da sie sich – sozusagen leider – fast immer bewahrheitet haben. Verbraucher ahnen gar nicht, welchen Anfeindungen sich kritische Journalisten, die über derartige Anlageformen berichten, oftmals ausgesetzt sehen.

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