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Ein teures Ritual

Am Donnerstag ist es wieder so weit: Vor laufenden Kameras übergeben Vertreter der Wirtschaftsforschungsinsitute ihr Gemeinschaftsgutachten an das Wirtschaftsministerium. Alle Nachrichtensendungen, Zeitungen und Hörfunkanstalten werden das Ereigniss aufgreifen. Aus dem rund 100seitigen Papier werden es aber wieder nur zwei Aspekte in die Medien schaffen: Die Wachtumsprognosen für Deutschland und eine kritische Warnung an die Regierung – auch diesmal  höchstwahrscheinlich zur Haushaltspolitik, ab und an auch in Sachen mangelnder Reformen. Ein bekanntes Ritual, das an den Adressaten ebenso rituell abprellt. Wozu also das Ganze?

Immerhin kostet das Gutachten den Steuerzahler rund 1,3 Millionen Euro. Wachstumsprognosen gibt es zudem von vielen Seiten: Die Regierung, die EU, jedes Insitut für sich, die meisten Banken, OECD, IWF – alle veröffentlichen Zahlen zum Zustand und den Aussichten der Konjunktur und viele auch Kritisches zur Politik. Und die Zahlen des Gemeinschaftsgutachten sind dabei nicht besser als andere – wie viele Experten lag auch die geballte Kompetenz der Insitute oft falsch: Sie erkannte die Folgen der Finanzkrise auf das Wirtschaftswachtsum nicht richtig und war viel zu optimistisch. Danach überschätzten sie die Auswirkungen und waren zu pessimistisch. Als Entscheidungsgrundlage für Politik und Wirtschaft taugt das Gutachten also nur bedingt.

Trotzdem wäre es ein Fehler, das Ritual zustoppen. Denn nur wenige Wirtschaftsprognosen schaffen es in die Nachrichten. Zwar über- oder unterschätzen Prognosen oft Trends, die Richtung können sie dennoch weisen. Und nicht nur Börsianer wissen: Zu erkennen, was die meisten anderen erwarten, ist extrem wichtig und hilft tatsächlich bei Entscheidungen.

Am wichtigsten für mich ist aber: Die Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung mag zwar oft aus Binsenweisheiten bestehen, doch auch Binsenweisheiten sind Weisheiten. Sie gehören in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Solange wir das Gemeinschaftsgutachten haben, wird dieses Bewusstsein zumindest zweimal im Jahr gestärkt. Im Frühjahr und im Herbst – eben wenn das Gemeinschaftsgutachten übergeben wird.

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