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Freitagsfrage: Was sind eigentlich Leerverkäufe?

Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und Barack Obama sind sich einig wie selten zuvor: Spekulative Exzesse an den Finanzmärkten soll es nicht mehr geben. Deshalb sollen unter anderem Leerverkäufe von Aktien, Währungen und Zinspapieren viel strengeren Regeln unterliegen als bisher, oder sogar ganz verboten werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will einen entsprechenden Gesetzentwurf bald auf den Weg bringen. Was aber verbirgt sich eigentlich hinter Leerverkäufen, auch Short selling genannt, – und was macht sie so gefährlich?

„Der Shortie ist beliebt beim Herrn. Er hat zwar nichts, doch gibt er gern.“ Dieser alte Börsenspruch beschreibt die Situation recht treffend. Der Shortie ist der Leerverkäufer, der beispielsweise Siemens-Aktien verkauft, die er gar nicht besitzt. Warum macht er das? Weil er annimmt, dass der Kurs des Papiers fallen wird und er die Aktie später billiger kaufen kann als er sie verkauft hat. Wenn er Siemens zu 67 Euro verkauft und zu 62 Euro kauft (eindeckt), streicht er 5 Euro Gewinn je Aktie ein. Nun will der Käufer seiner Siemens-Aktien aber natürlich die bezahlten Stücke erhalten – nach zwei Werktagen hat das an den deutschen Börsen zu geschehen, an anderen zum Teil etwas später. Der Shortie hat nun zwei Möglichkeiten, um seinen Lieferverpflichtungen nachzukommen: Entweder er kauft die Siemens-Aktie am Liefertag, also beispielsweise zwei Tage nach dem Verkauf der Aktien und gibt sie sofort an den Käufer weiter. So etwas nennt man ungedeckten Leerverkauf oder Naked Short, da bei diesen Geschäften kein Kapitaleinsatz nötig ist. Falls das Geschäft aufgeht, können Spekulanten auf diese Weise Riesenmengen an Aktien, Anleihen oder wie zuletzt Währungen (den Euro) verkaufen, die sie nicht besitzen. Diese ungedeckten Leerverkäufe will Schäuble komplett verbieten.

Anders sieht es mit der zweiten Art, den gedeckten Leerverkäufen aus. Hier vekaufen die Spekulanten zwar ebenfalls die Wertpapiere die sie nicht besitzen – aber sie leihen sie sich bei einem anderen Anleger gegen eine Gebühr aus. Der Vorteil dabei für den Shortie: Er kann viel länger auf fallende Kurse setzen und kauft, wenn seine Erwartungen eintreffen, die Siemens-Aktie beispielsweise erst, wenn sie auf 57 Euro gefallen ist. Er erzielt damit zehn Euro Gewinn je Aktie. Für diese Art von Leerverkäufen wollen Schäuble und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle kein Verbot, aber strenge Melde- und Transparenzvorschriften erlassen. Sie sollen an die angelehnt sein, die die deutsche Finanzaufsicht BaFin für die großen Finanzaktien ab dem 25. März 2010 erlassen hat: Sobald eine Leerverkaufsposition 0,2 Prozent des Aktienkapitals eines Unternehmens überschreitet, muss das der Aufsicht gemeldet werden, ab 0,5 Prozent muss es zusätzlich veröffentlicht werden.

Leerverkäufe galten lange Zeit als wichtiges Regulativ an den Finanzmärkten, um Kursübertreibungen nach oben zu dämpfen. Idealerweise werden Papiere nur dann leer verkauft, wenn sie massiv überbewertet sind, der Shortie also das Risiko seiner Geschäfte gering einschätzt. Leerverkäufe sorgten überdies für eine beträchtliche Markttiefe, so dass Käufe und Verkäufe zu günstigeren Kursspannen abgerechnet werden konnten als ohne Mitwirken der Spekulanten. In den vergangenen Jahren haben Leerverkäufe jedoch eine viel größere Dynamik entfaltet als zuvor. Der Grund ist das zeitweise enorme Wachstum der Hedge Fonds, die viel häufiger als andere Großanleger und dazu noch mit ganz anderen Summen hantieren. Insbesondere im Börsencrash 2008 entfiel zeitweise ein erheblicher Anteil aller Börsenumsätze auf Leerverkäufe. Nach Ansicht der Kritiker haben sie die Kurse viel tiefer nach unten gedrückt, als es gerechtfertigt war, damit die Finanzkrise verschärft und so die Rettungsaktionen von Regierungen und Notenbanken verteuert. Deshalb jetzt dieses Vorgehen der Staaten gegen die Shorties.

Leerverkäufe können jedoch nicht nur die Kurse massiv unter Druck setzen, sondern indirekt auch die Notierungen steil nach oben schiessen lassen, dann nämlich, wenn es einen Short-Squeeze gibt. Er tritt dann ein, wenn die Spekulation auf fallende Kurse nicht aufgeht, die Preise vielmehr nach oben laufen. Dann müssen die Leerverkäufer schnellsten kaufen, um ihre vorherigen Verkäufe abwickeln zu können. Und diese Zwangskäufe erhöhen natürlich die Nachfrage nach der Aktie oder anderen Wertpapieren und treiben den Kurs immer weiter nach oben. Das Paradebeispiel für einen Short Squeeze war 2008 die Volkswagen-Stammaktie. Damals hatten so viele Shorties auf einen Rückgang der VW-Aktie spekuliert, dass zeitweise mehr Aktien leer verkauft waren, als Papiere im Freefloat waren, also nicht im Festbesitz. Auslöser der Spekulationen war, dass Porsche sich via Optionen riesige Mengen an VW-Aktien gesichert hatte. Weil sich die Shorties um jeden Preis eindecken, sprich kaufen mussten, um ihren Verkaufsverpflichtungen nachkommen zu können, jagte ihre Nachfrage den VW-Kurs in ungeahnte Höhen – zeitweise auf über 1000 Euro.

Die nun von zahlreichen Staaten angestrebte Eindämmung der Leerverkäufe wird ihre volle Wirkung allerdings nur entfalten, wenn es zu einem abgestimmten internationalen Vorgehen kommt. Denn sonst handeln die Shorties eben an den Börsen der Länder, in denen die Regulierungen und Verbote nicht gelten.

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